Bei der Sache bleiben

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Juli/August 2024

Das Wort Freiheit gehört zu den imposantesten Wörtern, zu denen sich die Menschheit in ihrem Tun und Erdulden aufgeschwungen hat. Was dermaßen imponiert und was eine derartige Wucht wie die Freiheit entfalten kann, ist selbstverständlich allerlei Ideologien, Verfälschungen oder auch nur Relativierungen ausgesetzt. Bevor man die Freiheit feiert, sollte man wissen, dass sie ein ›Problem‹ darstellt, also zur Diskussion steht oder – im schlimmsten Fall – überhaupt erst im Kampf erobert werden muss. In der Parole der Großen Revolution von einst, der Französischen Revolution, springt Freiheit als Problem sofort ins Auge: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Aber die Freiheit des einen, sich nehmen zu können, was er will, relativiert die Gleichheit, die sich durch Brüderlichkeit nur selten wieder herstellt. 

Die Intensität der Freiheit und der Freiheitsdurst sind abhängig von der jeweils herrschenden Unfreiheit oder von dem, was man für Unfreiheit hält. Hier setzt die Propaganda ein. Ein Beispiel: Die Bezeichnung ›Zwangsgebühren‹ für das Einzahlen der Nutzer in ein öffentlich rechtliches Rundfunksystem versucht die Möglichkeit auszublenden, sich mehr oder weniger unabhängig zu machen von einem privaten Medienmarkt, der sogar unterm eigenen Niveau  Bullshit produziert: Gemeinheiten auf ATV wie ›Liebe unter Palmen‹ oder ›Mein Gemeindebau‹ arbeiten – in der Tarnung einer Hinwendung zu den Erniedrigten und Beleidigten – mit hinterhältiger Menschenverachtung. Man denke auch an Mateschitz, der, als die Journalisten seines Senders sich gewerkschaftlich bewegt zeigten, sofort damit kam, er würde dann halt die ganze Bude zusperren.  

Die, die gegen die sogenannten Mainstreammedien ›Lügenpresse‹ schreien, wollen bloß ihre eigenen Lügen hören, vor allem keine Wahrheiten, die über sie zurecht in Umlauf sind. Die Prämisse der Beruhigungssoziologen (die so nicht genannt werden wollen) lautet, dass die Gesellschaft eh nicht gespalten ist, es gäbe nur Triggerpunkte, an denen die Gegensätze schmerzhaft werden. Mir genügt das, um die Grundthese ›eh keine Spaltung‹ außer Kraft gesetzt zu finden.

Eine komplexe Gesellschaft kennt Freiheiten und weniger ›die Freiheit‹. So eine Gesellschaft hat einzelne Systeme, die jeweils florieren, wenn sie in Selbstbestimmung, nach ihren eigenen Regeln arbeiten können: das System der Kunst, das System der Wissenschaft, das System des Rechts. Eine Balance zu finden, die einen Zusammenhang des Eigenständigen ermöglicht, nenne ich ›Politik‹. In diese Systeme aber bevormundend, von außen her hineinzuregieren, zerstört die Freiheit einer Gesellschaft im Ganzen – klassisches Beispiel: Die Politik sagt, was Kunst ist, oder gar, das Recht müsse der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht. Die Renovierung der völkischen Vorstellung, man müsse alle Differenzen fürs Volk vereinigen, zerstört gleichzeitig mit der Arbeitsteilung auch die Freiheit, die man dem Volk verspricht.   

In den relativ ›offenen‹ Gesellschaften ist das Interessante am Journalismus seine schwierige, in sich widersprüchliche Lage. Das Konzept einer Meinungsfreiheit, jeden zu ermächtigen, sagen zu können, was er nur will, hat – gemeinsam mit der Kommerzialisierung – eine erfolgreiche Art von Journalismus zu einem Teil im Räderwerk der allgemeinen Verblödungsmaschinen gemacht. Wie also die formale Freiheit mit öffentlichkeitswürdigem Inhalt verknüpfen, wie Meinungen mit Empirie begründen, wie echte Redaktionen bezahlen, während doch alles ­Billige gratis zu haben ist? Es ist zum Berufe­wechseln. Aber auf den Rest, der bei der Sache bleibt, kommt es an! •

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