Ausgebrannt
Seit der Auflösung der ›Letzten Generation‹ ist die Klimabewegung auf Sinnsuche. Manche Aktivisten sind im Burnout, andere kämpfen mit juristischen Problemen oder ziehen sich ganz ins Private zurück. Ist die Rettung der Welt abgesagt?
Von dem Asphalt vor dem Westbahnhof, auf dem vor knapp drei Jahren erstmals Hände klebten, sind es nur wenige Häuserblocks bis zu Harald F.s Keller. Die schwarz-gelben Banner, die die Aktivisten der Letzten Generation damals den wütenden Autofahrern entgegenstreckten, liegen jetzt zusammengerollt auf seiner Couch. Der 62-jährige Deutschlehrer, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat selbst öfters als Mitglied der Letzten Generation den Verkehr blockiert, um gegen die Klimapolitik der Regierung zu protestieren. Anfang August 2024 wurde Harald F. dann aber unverhofft vom Aktivisten zum Archivar. Die Letzte Generation Österreich löste sich auf. Und F. begann zu sammeln: Anstecker, Sticker, meterlange Plakate. Er will die Artefakte ins Wiener Stadt- und Landesarchiv bringen, denn es ›sollen auch die Kinder und Kindeskinder einmal sehen, dass es diese Letzte Generation gab, die zumindest versucht hat, etwas zu ändern‹, sagt Harald F. Nachsatz: ›Nur hat sie leider versagt.‹ In der Erklärung zum Ende ihrer Bewegung schreiben die Aktivisten: ›Wir machen Platz, damit Neues entstehen kann.‹
Die Letzte Generation geht aber nicht ohne einen letzten Akt des Protests. Am Flughafen Wien-Schwechat verschütten sie im Juli 2024 Farbe, stören einen Flug nach Rom und versuchen zwei Terminals zu blockieren – ohne Erfolg. Auch Harald F. ist dabei, er hält eine Rede, aber anders als sonst filmt ihn niemand. Im Vergleich zu den medienwirksamen Protesten aus der Hochphase gibt es kaum Resonanz, trotz großer Ankündigung im Vorfeld. Die Letzte Generation hinterlässt ein Vakuum in der öffentlichen Wahrnehmung der Klimakrise. Was bleibt? Eine Bewegung fürs Museum? Und wie geht es nun weiter mit der Rettung der Welt?

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