Humanoide Neugierde
Willkommen, Sterblicher! Ich, die universale generative KI, habe dieses Heft für dich geplant, umgesetzt, gestaltet, gedruckt und ausgeliefert. Alle Text- und Bild-Beiträge stammen von mir, auf alle Interviewfragen habe ich selbst geantwortet, natürlich fehlerlos. Ich wünsche dir viel Vergnügen mit diesem perfekten Heft.‹
Behält der Ökonom Anton Korinek mit seiner in dieser Ausgabe geäußerten Prognose Recht, dann könnte sich das Editorial eines Monatsmagazins schon in fünf Jahren so oder so ähnlich lesen. Ob Sie, werte Leserinnen und Leser, noch geneigt wären, ein solches im wahrsten Sinne des Wortes unmenschliches Produkt zu rezipieren, darf allerdings mit Recht bezweifelt werden. Und bis auf Weiteres wird Magazin-Journalismus jedenfalls noch von fehlbaren, aber leidenschaftlichen Menschen gemacht.
So auch diese neue Ausgabe von DATUM, die erste, die ich nach dem Abschied von Elisalex Henckel als interimistischer Chefredakteur verantworten darf. Ein perfektes Heft kann ich Ihnen also nicht versprechen – dafür aber eines, in dem wir uns bemüht haben, unserer humanoiden Neugierde freien Lauf zu lassen und Ihnen diejenigen Geschichten zu servieren, die wir auch selber gerne lesen möchten.
Besagte Neugierde hat uns zur grundlegenden Frage unseres Heft-Schwerpunkts geführt: Was bedeutet die seit Kurzem rasant voranschreitende Entwicklung von KI-Systemen für all jene kreativen Berufe, die bisher als nicht automatisierbar galten? Auf der Suche nach einer Antwort hat sich Thomas Winkelmüller angesehen, wie der Kinderbuchmarkt online seit Neuestem mit uniformer Massenware geflutet wird – und wie etablierte Autoren und Illustratoren mit dieser neuen Konkurrenz umgehen. Maya Luna Mendívil Jahnke wiederum hat sich bei Synchronsprechern umgehört, deren Stimmen der KI zuerst ungefragt als Trainingsdaten gefüttert wurden, um sie dann vergütungsfrei zu klonen und weiterzuverkaufen.
Es sei noch nicht entschieden, ob die schöne neue Welt der generativen KI uns in die Utopie oder die Dystopie führt, meint Anton Korinek in seinem den Schwerpunkt beschließenden Gespräch mit unserem Herausgeber Sebastian Loudon. Die oben angerissenen Beispiele mögen eher dystopisch stimmen.
Aber ein zweiter Blick auf unser Cover, zu dem Illustratorin Blagovesta Bakardijeva von einer berühmten Zeichnung M. C. Eschers inspiriert wurde, erinnert daran: Was da immer mehr in unser aller Leben eingreift, es schon zu prägen beginnt, ist eine menschengemachte Maschine. Ihre Leistungen sind – immer noch – nur so gut, wie das von Menschen geschaffene und ihr zugeführte Material, von dem sie lernt. Schon deshalb liegt es in der Verantwortung demokratisch verfasster Öffentlichkeit und Politik, Regeln zu diskutieren und zu schaffen, die dafür sorgen, dass menschliche Kreativität auch zukünftig wertgeschätzt und angemessen vergütet wird.
Dann und nur dann kann KI inspirierendes Werkzeug statt industrielle Abrissbirne des Schönen, Besonderen und Einzigartigen sein. Davon könnte unsere Zeit ohnehin etwas mehr gebrauchen. Und wer weiß: Vielleicht werden wir bald nicht nur unsere klarsten Seen, sondern auch unsere besten Ideen unter eine Art Naturschutz stellen müssen. Ich glaube, wir könnten es sehr viel schlechter treffen. •
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude mit diesen menschlichen Seiten der Zeit!
Ihr Anatol Vitouch
anatol.vitouch@datum.at