Lieber mit der Hand

Warum KI bislang nur schwachen Rollenspiel-Content produziert.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Mai 2025

Als Teenager der 90er-Jahre musste ich Erwachsenen meist erklären, was Single-Player-Rollenspiel-Bücher eigentlich sind, heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Kaum ein Jugendlicher kennt wohl noch das Gefühl, mit allen fünf Fingern verschiedene Seiten in einem in 300 Abschnitte gegliederten Spielbuch eingemerkt zu halten, um notfalls zurückblättern zu können, wenn die gerade getroffene Entscheidung in den Orkus geführt hat (›289: Der Ghul stürzt sich mit einem kehligen Schrei aus einem Hinterhalt auf dich. Seine spitzen Zähne durchbohren deine Halsschlagader. Dein Leben und dein Abenteuer enden hier …‹).

Wozu denn auch ein Buch kaufen, wenn KI dem geneigten Rollenspieler auf Knopfdruck immer neue, maßgeschneiderte Welten erschaffen kann, in denen er via Prompting zum Co-Kreateur seines eigenen Abenteuers wird?

Nur: So sexy das alles klingt, so mau ist leider das Spielerlebnis. Die schrankenlose Freiheit, das Abenteuer per Tastatur in jede mögliche Richtung steuern zu können, weckt schnell schreckliche Sehnsucht nach einer fixen, vorgegebenen Struktur, die es erlaubt, bessere und schlechtere Entscheidungen zu treffen, die vom Spiel folgerichtig belohnt oder bestraft werden. Im Kontrast zu den nach strengen Regeln abschnurrenden Fantasy-Spielen früherer Zeiten fühlt sich der zeitgenössische AI-Dungeon so an, als müsste man mit einem sehr geschwätzigen, dafür nur mittelmäßig talentierten Autor kollaborativ einen Trash-Roman produzieren – also nach Schwerstarbeit! Von den redundanten Schleifen, in die sich die bewusstlose KI dabei immer wieder schreibt und aus der man sie nur durch das mühsame Vorantreiben der Handlung (die man sich im Wesentlichen selbst ausdenken muss) befreien kann, ganz zu schweigen.

Nein, diese schöne neue Rollenspiel-Welt macht mir keinen Spaß. Da packe ich lieber zwei Würfel und einen Bleistift ein, radiere die 30 Jahre alten Werte im Abenteuerprotokoll aus und begebe mich mit Joe Devers ›Einsamer Wolf‹-Reihe (Erstausgabe: 1984) analog und strukturiert auf die Jagd nach Schwarzen Lords. •

AI Dungeon: play.aidungeon.com | ›Einsamer Wolf‹ · Autor: Joe Dever · Übersetzung: Nicolai Bonzcyk, Karolina Gardovic · Mantikore-Verlag 

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