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Die Weltpolitik, ihr Garten

Zu Tod und Erbe der Journalistin Sylke Tempel.

DATUM Ausgabe November 2017

Anfang Oktober eine Nachricht, die nicht zu fassen ist: die Politikexpertin Sylke Tempel wurde im Sturm ›Xavier‹ am Rückweg von einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Gabriel von einem Baum erschlagen. Tot. Sylke Tempel war eine Schlüsselfigur in der außen- und sicherheitspolitischen Szene in Deutschland, Europa und der Welt. Seit 2008 leitete sie in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) das deutschsprachige Politikmagazin Internationale Politik, vor kurzem gründete sie auch das englischsprachige ›Berlin Policy Journal‹ . Beide Zeitschriften werden von Diplomaten und in Fachkreisen sehr geschätzt. Tempel war mit ihren Schwerpunktthemen Nahost, USA und Europa häufig in TV-Runden und auf Podien zu Gast. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz veranstaltete sie augenzwinkernd ein Damen­dinner sowie das prominente jährliche Frauenfrühstück.

Seit etwas mehr als zwei Jahren hatte ich viel und eng mit Sylke Tempel zu tun – wir starteten eine Dialogreihe ›European Encounters‹ im Berlin Policy Journal und hegten Ideen zu einem möglichen ›Europäischen Mediendienst Migration‹. Dieser Kontakt war ein Geschenk, die Zusammenarbeit ein Genuss.

Ich kenne keine andere Akteurin in der internationalen Politik, die einerseits tatsächlich global und vernetzt gedacht und scharf, schnell und treffend analysiert hat, die das andererseits mit einer unerschütterlichen Fröhlichkeit, einer Art globaler Gewogenheit tat, die diese an sich sperrige, gerne dozierende Branche kaum zulässt. Sylke Tempel praktizierte das Denken und den Fachjournalismus zu internationalen Themen so behände und tänzerisch, als wäre der Globus ihre Bühne, die Diplomatie ihre Familie, die Weltpolitik ihr Garten. Sie war das Gegenteil einer Bedenkenträgerin; sie trug das Denken. Und das Denken in Lösungen statt in Unmöglichkeiten wiederum war ihr Pflicht und Routine gleichermaßen.

In einem Arbeitstreffen vor wenigen Wochen sagte Sylke: ›Wir bauen ein Haus, machen aber die Anschlüsse für einen Palast da rein!‹ Kürzlich tauschten wir uns zu einem Text aus. Sie schrieb: ›Der Text würde ganz wunderbar auch in das nächste Heft passen, das wir etwas flapsig das »europäische Problembärenheft« genannt haben (als Arbeitstitel natürlich, obgleich ich finde, dass das Wort »Pro­blembär« internationalisiert gehört)‹.

Sylke Tempel war bekannt, zugleich sehr busy und dafür unglaublich bescheiden: Jede Email hat sie rasch, persönlich und bedacht beantwortet. Sie hüpfte am Weg zu Anne Will vom Fahrrad, um das Handy aus der Tasche zu kramen! Hunderte Menschen – Weggefährten, aber auch Zuhörer und den Nachwuchs – hat sie durch ihre Art berührt und gestärkt. In die Spitzenränge der internationalen Politik schaffen es nur ganz selten Menschen, die sich im stark ritualisierten, bürokratisierten täglichen Allerlei zurecht­finden, die durch ihren Scharfsinn unangreifbar sind und die dennoch mit innerer Freiheit, entwaffnendem Humor und dem unbedingten Fokus auf den Menschen aufwachen und einschlafen.

Ich möchte Sylke Tempel danken, dass sie da war, über 50 Jahre lang, mittendrin, bunt und klug, und dass sie vor allem den Frauen in der internationalen Politik Vorbild und Ermöglicherin war. Ich kann uns das nur wünschen – Österreich am Weg zur EU-Präsidentschaft 2018 und der EU in einer Welt, die aus den Fugen geraten scheint: dass wir uns im Gedenken an Sylke Tempel ans Jetzt und die drängenden Aufgaben für das Übermorgen wenden. Dass wir uns mehr Frauen in politischen Führungspositionen zutrauen, mehr Freiheit im Denken und mehr Fröhlichkeit in der internationalen Zusammenarbeit.

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