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Eine toxische Beziehung

Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas besteht seit Jahrzehnten und ist größer als die der meisten anderen EU-Staaten. Gelegenheiten, daran etwas zu ändern, hätte es durchaus gegeben. Sie wurden aber nicht genutzt.

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Fotografie:
Hans Punz/APA/picturedesk.com
DATUM Ausgabe Mai 2022

Sa nas, sa was, sa gas!‹ – ›Auf uns, auf euch, aufs Gas!‹, lautet angeblich ein geflügeltes Wort in der Sankt Petersburger Gazprom-Zentrale. Als günstig und verlässlich gilt russisches Erdgas in Europa und ganz besonders in Österreich. Es fließt seit mittlerweile 54 Jahren ohne nennenswerte Unterbrechungen. Auch wenn Russland sein Nachbarland überfällt, Völkerrecht bricht, Zivilisten erschießt, Vergewaltigungen als Kriegsmittel einsetzt, kommt es seinen Lieferverträgen nach wie eh und je. Und auch der Westen importiert weiter, als wäre nichts. Rund eine Milliarde Euro überweisen die EU-Staaten täglich (!) für russisches Öl und Gas. Bei Redaktionsschluss Ende April war kein Ende in Sicht. 

Einen Lieferstopp können wir uns gar nicht leisten, wiederholen Wirtschaftsvertreter und Spitzenpolitiker fast aller Parteien gebetsmühlenartig. Unabhängig davon, wie teuer uns ein Embargo käme: Österreich ist so abhängig von russischer Energie wie kaum ein anderes EU-Land. 80 Prozent unseres Erdgases – das unter anderem 900.000 Haushalte, die heimische Industrie so­wie mehrere Gaskraftwerke befeuert – kommen aus Russland. Im EU-Schnitt sind es nur rund 40 Prozent. Wie konnte es dazu kommen? Es gibt zumindest drei Antworten: Geografie, Geschichte, Geld. 

Am 17. September 1968 floss erstmals sibirisches Gas nach Baumgarten an der March, ein 185-Seelen-Nest an der niederösterreichisch-slowakischen Grenze. Längst ist Baumgarten einer der wichtigsten Gasknotenpunkte Europas, mit mehr als 40 Milliarden Kubikmetern Durchfluss pro Jahr. Von hier aus fließt sibirisches Erdgas weiter nach Ungarn, Italien, Slowenien und vor allem Süddeutschland. Der Liefervertrag war der erste mit einem westeuropäischen Staat. Europa brauchte billiges Gas, die Sowjetunion saß auf riesigen Vorräten und stand bereit. 

›Von Anfang an ging es darum, den wachsenden und energieintensiven, von Massenkonsum und Massenproduktion getriebenen Wirtschaftsboom seit den 1950ern aufrecht zu erhalten‹, sagt Ernst Langthaler, Sozial- und Wirtschaftshistoriker an der Kepleruniversität Linz. Noch in der NS-Zeit wurde die Erdölförderung in der ›Ostmark‹ massiv gesteigert, um die Rüstungsindustrie und das Militär zu versorgen. Nach Kriegsende verleibte sich die sowjetische Mineralölverwaltung die als ›deutsches Eigentum‹ geltenden Anlagen ein und zwackte einen Großteil des Rohöls ab. Für den Staatsvertrag 1955 musste sich Österreich verpflichten, auch weiterhin Öl an die Sowjetunion zu liefern. Gewissermaßen ein Ersatz für Kriegsreparationen, die für Österreich ja anders als für Deutschland nicht vorgesehen waren, sagt Langthaler. 

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