Der Fürsten neue Kleider

Von der überschätzten Macht der österreichischen Landeshauptleute.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Mai 2022

Welch ein Irrtum! Es wird für wahr gehalten, was man glauben möchte. Zu einem fixen Bestandteil der politischen Folklore in Österreich gehört der Glaube, die wahre Macht sei in den Büros der Länderchefs zu finden. In Krisenzeiten jedoch kommt so manche Wahrheit ans Licht. Und eine davon ist: Die Macht der Länderfürsten gleicht einem Trugbild. 

Ende November wurde die ›Rückkehr‹ der Länderchefs und Johanna Mikl-Leitners ins bundespolitische Spiel freudig verkündet. Am Achensee in Tirol hatten sie der Bundesregierung einen Lockdown und die Impfpflicht diktiert. Zwei Wochen später nochmals Jubel. Karl Nehammer hatte den personalpolitischen Preis für seine Designierung zum Bundeskanzler bezahlt.  Das ›alte System‹ schien wieder hergestellt. So ergriffen war das Land von der Renaissance der alten Kräfteverhältnisse, dass Verschiebungen negiert wurden.  

Unübersehbar sind sie allerdings jetzt, da sich sogar Vorarlberg als Stätte der Parteienwirtschaft, Steuertricks und Intransparenz erweist. Landeshauptmann Markus – ›Wussten es nicht besser‹ – Wallner (ÖVP) gerierte sich bei der Abwehr des Ungemachs in ›seinem‹ Wirtschaftsbund nach 25 Jahren in der Politik erstaunlich ungeschickt. Wenn aber schon dem ordentlichen, sauberen, korrekten ›Ländle‹ nicht zu trauen ist, wem dann in der Republik? Tirols Günther – ›Haben alles richtig gemacht‹ – Platter wohl auch nicht. Er änderte seine Meinung nicht nur in der Coronakrise schneller, als man einen Sessellift besteigen kann. 

Die größte Selbstdemontage aber vollzog Salzburgs Wilfried Haslauer, lange Zeit als ­Personalreserve der ÖVP im Bund gehandelt. Seit er Virologen vorgeworfen hat, die Menschen in ihren Wohnungen verhungern und verdursten lassen zu wollen, und als erster Landeshauptmann die Aussetzung jener Impfpflicht verlangte, die er selbst mitbeschlossen hat, ist er aus dem Spiel. 

Ein ähnlich drastischer Imageschaden wurde nur noch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna – ›Rote bleiben G’fraster‹ – Mikl-Leitner durch die Veröffentlichung eines Chats und ihrer verunglückten Entschuldigung zugefügt. In der Krise zeigt sich Schwäche, wo Stärke vermutet wurde. 

Oberösterreichs Thomas Stelzer zeigte Schwäche auch ohne Krise, als er einen covidfreien Wahlkampf führte und damit der Impfgegner-Partei in den Landtag verhalf.  Steiermarks Landeshauptmann Hermann – ›Waren immer da‹ – Schützenhöfer hat mit seiner sinnbefreiten Personalpolitik – à la Rektor Martin Polaschek als Minister – den Beweis für uralte Politik vorgelegt. 

Bleibt also die Macht der drei Länderchefs der SPÖ. In Kärnten bei Peter Kaiser ist sie wohl nicht wirklich beheimatet, in Wien schon eher. Da überlegt aber Bürgermeister Michael Ludwig, wo mehr davon zu ­bekommen ist, in der Stadt oder im Bund.
In Eisenstadt hat Hans Peter Doskozil schon entschieden. Jetzt müssen nur andere von seiner Strahlkraft so überzeugt werden, wie er es selbst ist.

Die Macht der Bundesländer hat immer schon auf der Furcht der anderen vor ihr beruht. Nur früher hatten Politiker-Persönlichkeiten die Sicht auf diese Realität verstellt. •

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