Rudi beinhart
Sozialist und Unternehmer, Kabarettist und Kanzlerflüsterer: Wer ist Rudolf Fußi?
Es ist ein kalter grauer Dezemberabend, als die Wut einen Abstecher nach Wien-Hernals macht. Im Saal der Kleinkunstbühne Kulisse, wo sich die Tische unter Bier und Gulasch biegen, ist es heiß und stickig. Rudolf Fußi steht auf der Bühne, schwitzt leicht und poltert gegen die Politik an sich. Die Pointen seines Programms ›Jetzt rede ich‹, das als AMS-Kurs für Arbeitslose aufgebaut ist, die sich zum Berufspolitiker umschulen lassen, sind brachial, aber effektiv: ›Das hier ist Ihre letzte Chance auf eine anständige Beschäftigung. Und das mit dem anständig vergessen wir gleich mal wieder.‹ Fußi wettert über gierige, unfähige Volksvertreter, lässt aber auch sich selbst und seine Branche nicht aus. Der Saal tobt. Oben auf der kleinen Bühne steht der ›begnadete Populist‹, wie ein Freund Fußi ein paar Tage später nennt, und grinst. Er ist zufrieden.
Rudolf Fußi ist Politikberater, Social-Media-Rampensau, bunter Hund des politmedialen Komplexes. Fast jeder in der Wiener Blase kennt ihn, fast jeder hat eine Meinung zu ihm. Er gilt als Retrolinker, neoliberaler Unternehmer, Politaktivist und sexistisches Alphamännchen – wahlweise beziehungsweise gerne auch gleichzeitig. Er selbst würde sich derzeit wahrscheinlich als Mann der Stunde bezeichnen – und man könnte ihm schwer widersprechen: Seinen früheren Kampf gegen die Eurofighter hat sich nun die Regierung auf die Fahnen geschrieben. Und einer der Höhepunkte der Innenpolitik, Kanzler Kerns Plan-A-Rede, dürfte aus Fußis Feder stammen.
Beginnt man sich über Rudolf Fußi umzuhören, stößt man auf eigentümliche Geschichten. Wie er auf einem Ausflug trotz anderslautender Gruppenentscheidung reichlich Chili ins Essen kippte, weil es seinem persönlichen Geschmack halt mehr entsprach. Wie er einem jüdischen Redakteur der Zeitung Heute öffentlich ›Kollaboration‹ vorwarf, weil der ›als Jude für ein Hetzblatt‹ arbeite – und Fußi sehr lang brauchte, um einzusehen, dass er sich dabei antisemitischer Klischees bedient hatte.
Man hört aber auch von einem anderen Rudolf Fußi. Einem, der Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um einer Moldauer Reinigungskraft zu helfen. Der die Geburtstage der Kinder seiner Freunde kennt. Der Geschäftsführer eines maroden Webvideoanbieters wird und bis zur Begleichung aller ausstehenden Gehälter auf jegliche Bezahlung verzichtet – was ehemalige Kollegen auch bestätigen. ›Der private Rudi hat mit dem Splatter-Rudi auf Twitter gar nicht so viel zu tun‹, sagt Anna Vetter, parlamentarische Mitarbeiterin der Neos, die zu Fußis engerem Kreis gehört. ›Er ist warmherzig und großzügig. Das kommt in der Öffentlichkeit nicht so rüber.‹
Mitte Jänner, ein Gasthaus in Wien-Josefstadt. Rudolf Fußi sitzt in seinem Stammlokal und nimmt sich viel Zeit, um über sich und seine Arbeit zu reden. Und auch um die kontroverse Person Rudolf Fußi ein wenig zu erklären. ›Ich sehe mich selbst ja als stabil, habe mich nie wirklich verändert.‹ Er sei sich aber bewusst, dass Fremd- und Selbstbild da stark auseinanderklaffen.
›Ich hasse es eigentlich zu wachsen, aber einen Mitarbeiter halte ich nervlich schon noch aus.‹
Fußi ist heute im Hauptberuf Geschäftsführer und Inhaber der Agentur Mindworker. Als solcher macht er zusammen mit seinen neun Mitarbeitern alles, was mit Kommunikation zu tun hat: ›Workshops, Wahlkämpfe, strategische Linienführung, Redenschreiben, Medientraining, Social Media.‹ Das sei zu neunzig Prozent unspektakulär. ›Wir machen kein Lobbying, nichts wirklich Dreckiges oder Böses.‹ Er verkaufe kommunikatives Handwerk und rechne streng nach Stunden ab, die Sätze liegen zwischen 150 und 300 Euro. Wenn er über den Status seiner Firma spricht, gerät Fußi ins Schwärmen. ›Wir schließen seit Gründung immer positiv ab und sind völlig ausgebucht.‹ Aktuell nehme Mindworker keine neuen Kunden an.
›Fußi ist ein umtriebiger Kreativer, der unglaublich gut Themen aufbauen kann‹, sagt die Kommunikationsberaterin Heidi Glück, deren Lebensqualität Fußi bei ihrem Kennenlernen vor knapp 15 Jahren ›deutlich verringert‹ hat. Glück war Sprecherin von Wolfgang Schüssel, als der 24-jährige Fußi nach dem Kauf der Eurofighter 2002 ein extrem erfolgreiches Volksbegehren startete, mit dem er 625.000 Unterschriften sammelte; und Fußi zusätzlich den damaligen Bundeskanzler der schwarz-blauen Regierung in allen Medien attackierte. Auch Josef Kalina, einst SPÖ-Mann und heute Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Unique Relations, nennt Fußi ›einen unbeirrbaren, entschlossenen Kämpfer für die Sache‹. Die Frage sei halt immer, wie lang die Sache ihn interessiere. Auch das ist ein Teil des Phänomens Rudolf Fußi: Die Leute sagen etwas Positives über ihn und schieben dann etwas Relativierendes nach. Oder umgekehrt.
Als Mindworker im Februar einen neuen Mitarbeiter bekommt, baut Fußi in die dazugehörige Pressemitteilung zahlreiche billige Pointen ein (›Ich hasse es eigentlich zu wachsen, aber einen Mitarbeiter halte ich nervlich schon noch aus‹). Es ist an dem Tag die meistgelesene Pressemitteilung auf der Plattform APA-OTS, über die Pressemitteilungen in Österreich ausgeschickt werden. ›Beim Rudi weißt du, was du bekommst‹, sagt ein Mitbewerber. Das müsse man nicht super finden. Aber wer das suche, sei bei ihm in guten Händen.
Fußi bewegt sich in der undurchsichtigen Branche der Politikberatung, wo man grob gesagt Parteien und anderen öffentlichen Institutionen Kommunikationsleistung und Beratung verkauft. Wo die Thomas Hofers, Stefan Sengls, Wolfgang Rosams, aber auch die Rainer Nicks und Sieghard Viertlers mal öffentlich, mal eher versteckt vor sich hinwerken. Laut Kennern der Branche ist die Öffentlichkeit dabei zu einem gewissen Teil Taktik. Es gebe etwa Berater, die eher strategisch im Hintergrund wirken. So wie der Israeli Tal Silberstein, der Kanzler Christian Kern seit vergangenem Herbst berät und für ihn eine Wahlkampfstrategie entwickelt. Silberstein riet dem SPÖ-Chef unter anderem nach einer großen Umfrage zum Schwenk in die Mitte und – dem Vernehmen nach – von raschen Neuwahlen ab. Dieser Typ Politikberater bietet natürlich eine große Projektionsfläche: Im Jänner äußerte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon ›Sorge, dass sich die SPÖ wieder mit einem derartigen Berater umgibt, dessen Spezialgebiet das Negative Campaigning ist‹. Silberstein hatte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer im Nationalratswahlkampf 2006 beraten, in dem falsche Vorwürfe gegen Schüssel wegen illegaler Beschäftigung einer slowakischen Pflegekraft auftauchten.
Immer Klassensprecher, immer Schulsprecher, immer Kapitän beim Fußball. ›Rudi liebt es, im Mittelpunkt zu stehen.‹
Auch die Nähe von Rudolf Fußi und Christian Kern wird immer wieder in den Medien thematisiert. Der private Fußi sieht sich im Grunde als einen Roten, der mal näher, mal weiter von der SPÖ entfernt agiert. Nach den Faymann-Jahren, in denen man ›wohl auf mich geschossen hätte, wenn ich in die Nähe des Kanzleramts gekommen wäre‹, stehen seine Sterne in der Sozialdemokratie momentan relativ gut.
Fußi und Kern lernten einander bei der Aufzeichnung von ›Rudi will streiten!‹ kennen, Fußis mittlerweile beendeter Talkreihe auf news.at. Seither gehört Fußi zum losen Kreis von Leuten, mit denen sich der Bundeskanzler austauscht. Wie auch Robert Misik oder Alfred Gusenbauer. Ob das jetzt eine ›Beraterposition‹ ist, ist eine Definitionsfrage. Alle Seiten versichern, dass es keine Verträge gebe und kein Geld fließe. Es gebe nur einen ›Gedankenaustausch‹ zwischen den beiden, teilt das Kanzleramt auf Anfrage mit. Die ganze Wahrheit ist allerdings komplexer: Auch wenn es einem niemand offiziell bestätigen würde, stammte Christian Kerns Plan-A-Rede in Wels aus Rudolf Fußis Feder. Die Idee, dass sich ein neuer Kanzler ›für das jahrelange Fehlverhalten der SPÖ entschuldigen‹ müsse, skizzierte der bereits 2016 in einem Text für das Magazin Vice über seine Vision einer Sozialdemokratie. Und auch die Teile der Rede, in denen es um übertriebene Regelungen beim Arbeitsschutz geht, stammen eins zu eins aus Fußis Kabarettprogramm.
Der Politikberater Fußi, der grundsätzlich jeden duzt und den laut eigener Aussage ›alle Parteichefs mögen‹, weil er ehrlich zu ihnen sei, hat schon für alle größeren Parteien außer FPÖ und Neos gearbeitet. Bei Letzteren stecken keine ideologischen Gründe dahinter, sagt Fußi, es habe sich einfach nicht ergeben. Die FPÖ sieht er hingegen als politischen Feind. In den Nullerjahren musste er nach verschiedenen Klagen fast 200.000 Euro an die Freiheitlichen zahlen, was ihn an den Rand des Privatkonkurses brachte.
Fußi hat unspektakuläre Dinge wie Social-Media-Workshops für ÖVP, SPÖ und andere gehalten, Zielgruppenmailings für die Grünen in verschiedenen Bundesländerwahlkämpfen durchgeführt, ganze Wahlkämpfe (Team Stronach 2013, Wirtschaftsbund 2015) abgewickelt und kleinere Social-Media-Aktionen wie die White-Label-Kampagne ›Strache verhindern!‹ der Wiener SPÖ im Landtagswahlkampf 2015 umgesetzt – das weiß sogar in der SPÖ kaum jemand und Fußi selbst will es nicht kommentieren. Konkret heißt ›White Label‹: Man baut eine Social-Media-Seite auf, die dem Auftraggeber nützt – das Wahlmotiv, FPÖ-Kandidat Heinz-Christian Strache zu verhindern, gilt als großer Treiber für das gute SPÖ-Ergebnis –, aber nicht auf ihn zurückführbar ist. Dass Fußi für viele Seiten arbeitet, oft auch gleichzeitig, sorgt sowohl auf der Politikseite als auch bei Mitbewerbern manchmal für Ärger. Man hört dann Sätze wie ›Ja, der arbeitet eh für uns, wie für alle anderen auch‹.
Mitte Februar sitzt Rudolf Fußi im Meetingraum seiner Agentur und lässt sich damit konfrontieren, was die anderen in Recherchen über ihn gesagt haben. Fußi mag kein klassischer Intellektueller sein – das Jusstudium brach er gelangweilt ab, jobbte und lebte im Studentenheim ›von Nudeln mit Ketchup, bis die Oma wieder ein bisschen Geld schickte‹ –, aber er ist extrem schnell im Kopf. Fußi redet schnell, stellt Rückfragen, bezieht das Gegenüber ein. Man merkt allerdings, wenn man ihm eine Info an den Kopf wirft, von der er nicht dachte, dass man sie hat. Dann zögert Fußi nämlich eine halbe Sekunde, bevor er antwortet.
Die meisten Vorwürfe prallen an ihm ab. Fußi ist ein Profi, der schon bisher immer alles überlebt hat. Ja, er arbeite für viele, aber ingesamt hielten sich öffentliche und private Aufträge – für nzz.at war Fußi an der Entwicklung des Gesamtprojekts beteiligt, für Forbes Austria machte er die PR – ohnehin in etwa die Waage. Bei anderen Gerüchten, etwa dass er schlecht über ehemalige Kunden rede, wird Fußi hingegen laut. ›Nenn mir einen Kunden – außer Stronach, wo es gerichtliche Auseinandersetzungen gab –, über den ich schlecht geredet habe!‹ Das sei eine Sauerei. ›Ich bin mit meinen Geschäftsbeziehungen deutlich transparenter als viele Mitbewerber.‹
Die Geschichte des Rudolf Fußi ist eine Aufstiegsgeschichte. Er wurde 1978 in der steirischen Gemeinde Fohnsdorf, heute knapp 7.500 Einwohner, in einen großkoalitionären Haushalt geboren. Sein Vater entstammte einer roten Bergarbeiter-, die Mutter einer schwarzen Kaufmannsfamilie. Eine einfache, aber glückliche Kindheit. ›Es hat uns an nichts gemangelt, und meine Mutter hat meine Schwester und mich mit Liebe erdrückt.‹ Der junge, bereits vorlaute Fußi, der eigentlich Schauspieler werden wollte, rutschte über die Schülerunion in die Junge ÖVP, blieb dort aber nicht lange. ›Es hat bei uns am Land ja nichts anderes gegeben‹, sagt er fast entschuldigend. Lieber erzählt er von anderen politischen Erweckungserlebnissen wie dem Widerstand gegen die Draken Mitte und Ende der Achtziger – die Anwohner protestierten vergeblich gegen die Ansiedlung der Überschall-Abfangflugzeuge in der Steiermark, die Fußis mussten letztlich wegen der Lärmbelästigung umziehen – oder dem FPÖ-Schuldirektor, wegen dem er aus Protest ein Jahr vor der Matura die Schule wechselte.
Fußi weiß, dass über ihn gesagt wird, er habe schon bei jeder Partei mitgemacht. Er selbst beschreibt es eher als jeweils kurze Verirrung seines frühen Selbst. ›Die Lugner-Sache zum Beispiel war im Grunde ein Ferialbürojob in der Lugner City.‹ Sein damaliger Vorgesetzter sei Ende der Neunziger nicht nur Wahlkampfleiter von Richard Lugner gewesen, sondern auch Vorsitzender einer Kleinpartei namens Die Demokraten. ›Der hat mich einmal mitgenommen, und schon war ich mit 21 Jahren Parteivorsitzender.‹ Solcher Geschichten gibt es viele, wenn es um Rudolf Fußi geht. Er hat sei jeher ein einnehmendes Wesen, erinnern sich Wegbegleiter. Immer Klassensprecher, immer Schulsprecher, immer Kapitän beim Fußball. ›Rudi liebt es, im Mittelpunkt zu stehen‹, sagt Hans Arsenovic, grüner Vizepräsident der Wiener Wirtschaftskammer und Fußis bester Freund. ›Er braucht das, das hat leicht narzisstische Züge.‹ Fußi sei ein Menschenfischer, könne und wolle mit Universitätsprofessoren genauso reden wie mit Solariumsmitarbeitern.
Fußis Demokraten gingen bei der Nationalratswahl 2002 mit 0,05 Prozent baden. Ein Jahr später trat er mit 24 Jahren in die SPÖ ein. Noch heute sieht er die Sozialdemokratie theoretisch als seine politische Heimat, auch wenn es dort Fraktionen gibt, die ihn für den späteren Parteiaustritt, das Stronach-Engagement und die öffentlichen Angriffe auf den früheren Parteichef Werner Faymann regelrecht verachten. Nach mehreren beruflichen Stationen zog Fußi letztlich einen Schlussstrich unter seinen Status als Lohnarbeiter und Parteimitglied. Er verließ die SPÖ 2012 aus Protest gegen Faymann und gründete im selben Jahr die Agentur Mindworker.
Es folgte ein Kapitel, das Fußi noch heute mancher übelnimmt. Magna-Sicherheitschef Franz Schnabl legte den Kontakt zu Frank Stronach, der dringend einen Wahlkampfleiter für sein Parteiprojekt suchte. Die Geschichte vom ersten Zusammentreffen mit ›Fränk‹ 2012 erzählt Fußi gerne. Es kommen sündhaft teure Pferde und ein gedemütigter ORF-Sportreporter darin vor. Eine Testosteron-Story halt. Fußi kann gut mit Testosteron. Die neu gegründete Agentur Mindworker übernahm daraufhin die Social-Media-Agenden des Teams Stronach. Es wurde schnell mehr, Geld war zu dem Zeitpunkt kein Problem. Fußi wurde Teil des Stronach-Kernteams und steckte bald tief drinnen. ›Ich habe eine Neigung zum Stockholm-Syndrom.‹ Und: ›Wenn ich wo reinkippe, dann nehme ich auf nichts mehr Rücksicht.‹
Die Geschichte endete unrühmlich. Fußi und das Team Stronach bekriegten einander im Gerichtssaal und auf Twitter. Die Auseinandersetzung endete mit dem öffentlichen Bruch – und einem nichtöffentlichen Vergleich. Rechtlich ist die Causa Stronach für Fußi immer noch ein Minenfeld. Bei vielen Auseinandersetzungen wurde für bestimmte Themenbereiche Stillschweigen vereinbart.
Das alles bringt einen zu der Frage: Wie geht sich das aus? Wie kann man als Paradebeispiel eines enttäuschten Sozis für die Wirtschaftskammer arbeiten? Wie kann jemand PR-Manager des Hedgefonds Superfund sein und gleichzeitig versuchen, innerhalb der SPÖ eine Linke aufzubauen, wie Fußi es 2010 getan hat? ›Das eine ist Job, das andere ist privat. Ich trenne das beinhart‹, sagt Fußi. Darüber hinaus nimmt er laut eigener Aussage seine Arbeit einfach nicht rasend ernst. Auch Freunde und Bekannte attestieren ihm ein hohes Maß an Selbstironie. ›Die Auswirkungen meines Tuns sind in der Regel überschaubar‹, sagt Fußi. Es spiele nur für die eine Rolle, die ihn beauftragen. Er sehe sich selbst als Nutte. ›Das ist aber in einer Branche, in der ohnehin nur Nutten arbeiten, keine Besonderheit.‹
Rudi, der Spaßmacher. Der auf Partys einen ganzen Raum unterhalten kann. Der seinen mehr als 16.000 Followern auf Twitter immer wieder Wuchteln liefert (›Presseförderung für die Krone ist so, als würde man Prostituierte für ihre Enthaltsamkeit belohnen‹). Der Mann, der sich durch konsequente Beschimpfungen anderer (›Herr Orbán baut einen Zaun. Ist ein Arschloch‹) und seiner selbst eine gewisse Freiheit erarbeitet hat. Der Tweets abschickt, die keine andere öffentliche Person überstehen würde. Der täglich über die ÖVP herzieht und trotzdem vom schwarzen Wirtschaftsbund für Kampagnen gebucht wird. Der Hofnarr, der gegen das System wettert und doch auch von ihm erhalten wird. Und dem es nicht schlecht mit dieser Rolle geht.
Ob Fußi ein Linker ist, ist umstritten. Auch bei ihm selbst. ›Ich bin in der Verteilungsfrage sehr links, ebenso in der Frage der Finanzregulierung.‹ Auf der anderen Seite sei er sehr wirtschaftsliberal, auch aus seiner Position als Unternehmer heraus. Fußi hat einen sehr eigenen Gerechtigkeitsbegriff. Doch diese eigene Form der Gerechtigkeit ist sein Lebensthema. ›Ich bin ein Feind der leistungslosen Einkommen‹, sagt Fußi. Es müsse einfacher sein, reich zu werden, und schwieriger, reich zu bleiben. Es mache ihn genauso wütend, wenn mittelständischen Unternehmern Steine in den Weg gelegt werden, wie wenn eine Rechtsanwaltsgehilfin nicht von ihrem Vierzig-Stunden-Job leben könne. ›Aus dieser Wut ziehe ich viel Kraft.‹ Fußi bekämpft immer irgendwas, man weiß nur nicht immer genau, warum.
Über die Priorisierung innerhalb der Linken kann sich Fußi in Rage reden. ›Blackfacing- und Fatshaming-Diskussionen sind für mich Nebenschauplätze, und ich kritisiere Leute, die sie zu Hauptschauplätzen machen wollen.‹ Er habe grundsätzlich nichts gegen das Gendern. Aber wichtiger sei es doch, dass die Leute in Simmering Arbeit haben. ›Ich scheiße auf die Töchter in der Hymne. Mir ist es tausendmal wichtiger, dass Frauen dasselbe verdienen.‹ Und so bekämpft er auf seinen Kanälen mit derselben Leidenschaft ökonomische Ungleichheit genauso wie Political Correctness, immer ungebremst und mit voller Kraft voraus. ›Ich sehe Political Correctness teilweise als Unterdrückungsinstrument‹, sagt Fußi. ›Und ich konnte in meinem Leben noch nie Autoritäten akzeptieren.‹ Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob ein männlicher Geschäftsführer einer Politikberatungsfirma in der Auseinandersetzung mit Frauenrechtlerinnen wirklich der Unterdrückte ist. Aber Fußi twittert ohnehin eher gefühlsbetont. ›Ich denke da nicht groß nach. Wenn mich etwas aufregt, dann muss es raus.‹ Fußi hat ein Kämpferherz, das so groß ist, dass gelegentlich nicht mehr genug Platz für das Hirn bleibt.
Um zu verstehen, warum sich Rudolf Fußi gegen viele Kritik von außen – oft auch die berechtigte – immunisiert hat, muss man vielleicht in das Jahr 2002 zurückgehen, als er sein erfolgreiches Eurofighter-Volksbegehren startete. ›Das News hat dann einfach beschlossen: Wir machen jetzt Rudi Fußi‹, erinnert er sich und erzählt, wie er plötzlich eine öffentliche Person war. Fußi las im Standard-Forum, wie ihn Leute als ›Blade Sau!‹ bezeichneten. Bekam mit, wie seinen Eltern in Fohnsdorf Kot per Post zugestellt wurde. Man fand Wanzen in seiner Wohnung, er erhielt Personenschutz. ›Das hat mich anfangs gekränkt, fast wahnsinnig gemacht.‹ Dann begann er für sich selbst radikal Grenzen zu ziehen. ›Wenn mich jemand kritisiert, den ich kenne, dann beschäftigt mich das. Alles andere ist irrelevant für mich.‹ Fußi hat aufgehört, gegen die Meinung anzukämpfen, er sei ein Fähnchen im Wind. Das müsse man halt aushalten.
Während Fußi nach der Ankündigung der Eurofighter-Klage durch Hans Peter Doskozil gerade extrem zufrieden ist – ›Es ist geil, mal aus dem Mund eines Verteidigungsministers zu hören, was ich seit 15 Jahren sage‹ –, tut sich am Horizont die nächste Kontroverse auf. Fußi unterstützt Roland Düringer bei dessen aktionistischer Parteigründung, laut eigener Aussage ebenfalls unentgeltlich. ›Roland hat mir bei meinem Kabarettprogramm geholfen, jetzt helfe ich ihm ein bisschen‹, sagt Fußi. Es wird wohl nicht das letzte Wutbürger-Projekt bleiben, bei dem Rudolf Fußi irgendwie seine Hände im Spiel hat. Auch in Zukunft dürfte der Politikberater und Aktivist damit genug Raum für Lob, Kritik, Liebe und Hass bieten. Fußi sieht sich darauf vorbereitet: ›Ich bin mit mir im Reinen.‹
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