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Zum Schutz unserer Wertsachen

Wie mit autoritären Regierungen in Polen und Ungarn umgehen?

DATUM Ausgabe Oktober 2017

Die autoritären Trends in Polen und Ungarn greifen das rechtsstaatliche Fundament der EU an. Warum aber ist Handhabe gegen solche Entgleisungen so schwierig? Zwei EU-Experten, Heather Grabbe von Open Society und Stefan Lehne, ehemaliger politischer Direktor des österreichischen Außenministeriums, haben jüngst einen wertvollen Beitrag zu dieser Frage veröffentlicht: ›Defending EU Values in Poland and Hungary‹.

Europäische Werte wurden erstmals im Maastrichter Vertrag von 1992 genannt und in späteren Vertragsanpassungen präzisiert. Artikel zwei des heutigen Lissaboner Vertragswerks lautet: ›Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.‹

Doch was passiert, wenn eine demokratisch legitimierte Regierung einen Kurswechsel vornimmt, wie die ungarische Fidesz-Regierung 2010 und die polnische PiS-Regierung 2015? Das bislang einzige Sanktionsinstrument der EU ist der mittlerweile viel zitierte Artikel sieben des Vertragswerks. Dieser erlaubt es, einem EU-Land das Stimmrecht in der Gemeinschaft zu entziehen, doch Artikel sieben gilt als ›nukleare Option‹, als höchste Eskalationsstufe – etwa für den Fall eines Militärputsches. Als Instrument ist er deshalb bisher weder für die auslösenden noch die betroffenen Staaten nutzbringend oder zufriedenstellend, aus vielen Gründen. Was wären also realisierbare Lösungswege?

Erstens, nationale Politiker in der EU – gerade Fachminister etwa für Justiz und innere Angelegenheiten oder Regierungsmitglieder großer bzw. zentral- und osteuropäischer Länder – sind in solchen Fällen laut Grabbe und Lehne aufgerufen, sich zu Wort zu melden und sich laut und deutlich zu den bisher eingeleiteten Maßnahmen der europäischen Kommission und des Parlaments zu bekennen.

Zweitens, ab 2018 werden einige Initiativen zur institutionellen und politischen Reform in der EU sowie die Verhandlungen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen beginnen. ›Dies öffnet Möglichkeiten, um neue Ins­trumente für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der EU anzuwenden‹, so Grabbe und Lehne. Im Fall Ungarn und Polen sei insbesondere eine ›richterliche Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof‹ gefragt, ›um den geballten Effekt einer Reihe von Übertretungen zu erfassen, der eine systemrelevante Herausforderung darstellt‹. Auch Geld ist freilich ein Hebel: Deutschland und andere EU-Länder überlegen neue Bedingungen für den Zugang eines EU-Landes zu EU-Fördermitteln.

Drittens fordern Grabbe und Lehne die EU-Institutionen und die EU-Regierungen dazu auf, ›öffentlich zu kommunizieren, warum geteilte Werte unverzichtbar sind für das Funktionieren des Binnenmarktes‹.

Viertens führen Experten wie der Verfassungsrechtler Jan-Werner Müller die Einführung einer Kopenhagen-Kommission ins Treffen. Sie würde die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien – die wiederum den EU-Wertekatalog widerspiegeln – auch in EU-Mitgliedstaaten, nicht nur wie bisher in Beitrittskandidatenländern, genau mitverfolgen. Die permanente Arbeit einer solchen Kommission hätte eine deutliche Präventivwirkung.

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