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Darf’s ein bisserl Heer sein?

Warum wir über unser Militär reden sollten.

DATUM Ausgabe Mai 2022

Nach vielen Jahren im Schatten ist das Militär zurück im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Putins Krieg gegen die Ukraine wird der NATO wohl demnächst zwei neue Mitglieder bescheren – und den Armeen Europas deutlich mehr Geld für Waffen und Truppen, allen voran der deutschen, wenn Olaf Scholz sein Versprechen von den 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr denn irgendwann in die Tat umsetzt.

Auch Österreich steht vor einer militärpolitischen Zeitenwende, wenn auch einer nicht ganz so dramatischen: Laut aktueller Umfragen will eine klare Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen auch in Zukunft an der Neutralität festhalten, die Verteidigungsausgaben aber erhöhen. Es dürfte also niemanden überraschen, dass die Kanzlerpartei hierzulande keine Zeit mit Diskussionen über einen NATO-Beitritt verschwendet hat, sondern direkt zur Verkündigung des ›großen Geldregens‹, wie es die Krone formulierte, geschritten ist. 

 ›Nach Jahrzehnten des Sparzwangs und Aushungerns der Streitkräfte plant Verteidigungs­ministerin Klaudia Tanner nun eine gewaltige Budgeterhöhung‹, meldete das Blatt Ende März in einem Artikel, der auch Zahlen nannte: ›ein 10 Milliarden Euro schwerer »Neutralitätsfonds« für die nächsten Jahre, um den langen Investitions-Rückstau der letzten Jahrzehnte abzubauen‹ sowie ›eine langfristige Erhöhung des Wehrbudgets von 0,6% des BIP auf 1,5% des BIP, gültig ab 2027‹. 

Vor lauter Aufregung dürfte die ÖVP lediglich darauf vergessen haben, den Koalitionspartner zu informieren. Kurz nachdem der Sprecher des Verteidigungsministeriums den Krone-Bericht auf Twitter gepostet hatte, wies jedenfalls der Wehrsprecher der Grünen ebendort darauf hin, dass die Verhandlungen über das Vorhaben ›gerade erst begonnen‹ hätten – und Summen oder Beschaffungen ›mit keinem Wort angesprochen‹ worden seien.

Die Ernsthaftigkeit, mit der die Regierung die nächste Weichenstellung für das Bundesheer vorbereitet, erinnert schmerzlich an die letzte: Vor inzwischen fast zwölf Jahren sprang der damalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl im Wahlkampf auf eine Krone-Kampagne für ein Berufsheer auf und warf damit eine Jahrzehnte alte Position seiner Partei über Bord. Die ÖVP wiederum brach mit ihrem Engagement für eine Profi-Armee – und entdeckte die Vorzüge des Grundwehrdienstes. Als es 2013 zur Volksbefragung über die Wehrpflicht kam, stimmte eine Mehrheit der ­Österreicher gegen ihre Abschaffung – und begründete das in erster Linie mit der Sorge um den Zivildienst. So endete eine parteipolitisch verdrehte Debatte mit einem verteidigungspolitischen Offenbarungseid der Bevölkerung.

Auch wenn jetzt erste Politiker in Deutschland nach einer Wiedereinsetzung der dort bereits 2011 ausgesetzten Wehrpflicht rufen, sollten wir nicht die Fehler von 2013 wiederholen und eine weitere Grundsatzentscheidung auf Basis eines Pseudodiskurses riskieren. Selbst innerhalb der mehrheitsfähigen Positionen gibt es genug zu besprechen: Was lehrt uns der Angriff Russlands und die Reaktion der Ukraine über moderne Kriegsführung? Welche Schlüsse ziehen wir daraus im Hinblick auf die Anforderungen an das Bundesheer? Und was braucht es schließlich, um diese auch erfüllen zu können? Diesen und vielen anderen Fragen sind wir im Rahmen des Schwerpunktes nachgegangen. In der Hoffnung, einige Gedanken für eine qualifiziertere Debatte zu liefern, wünschen wir Ihnen …

… viel Freude mit den neuen Seiten der Zeit.

Ihre Elisalex Henckel

elisalex.henckel@datum.at

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