Die Arbeit des Opfers

Mit den Folgen eines Gewaltverbrechens umzugehen, ist ein verdammt anstrengender, unsichtbarer und vor allem unbezahlter Job. Institutionen, die ihn erleichtern sollten, machen ihn mitunter noch schwerer.

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Illustration:
Ūla Šveikauskaitė
DATUM Ausgabe Juni 2025

Ich wurde vor eineinhalb Jahren vergewaltigt. Ich arbeite mich täglich an den Auswirkungen dieses Verbrechens ab. Das meine ich wörtlich. Ich möchte hier von der Arbeit, dem Aufwand, der Vollzeitbeschäftigung sprechen, die mein noch recht neuer Status als Verbrechensopfer mir beschert hat.

Wenn über die Folgen sexueller Gewalt gesprochen wird, sind meist psychische, emotionale und sexuelle Wunden gemeint. Selbstverletzung, Depressionen, Isolation, Angst, Wut, gestörtes Körperbewusstsein. Die Behandlung derartiger Wunden ist mit viel Arbeit verbunden: Trauerarbeit, Aufklärungsarbeit und Arbeit an sich selbst. Ich leiste diese Arbeit. Aber viel mehr belastet, verletzt, deprimiert, isoliert, erzürnt, ängstigt und verstört mich ein Bereich, der noch nicht in Büchern und Filmen verarbeitet wurde und nicht in aller Munde ist, wenn es um Gewalt und Missbrauch geht. Dieser Arbeitsbericht soll die vielen stupiden, mühseligen, auslaugenden Aufgaben beleuchten, vor die mich meine Viktimisierung gestellt hat, auf die ich nicht vorbereitet war und die ich sofort gegen die emotionale Arbeit tauschen würde. 

Vergewaltigungsopfer zu sein, ist ein anstrengender, langweiliger, unbezahlter Job. Ein Job, den ich mir nicht freiwillig gesucht hätte, der mir keinen Spaß macht und über den ich stundenlang jammern könnte. Niemand hört sich gern Jammerei über frustrierende Telefonate, elendslange Antragsformulare, geschmacklose Warteschleifenmusik und inkompetente Auskunftspersonen an. Doch aus solchen uninteressanten Unannehmlichkeiten besteht seit eineinhalb Jahren mein Alltag.

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