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Wie es ist … als geflüchtete Ukrainerin in Österreich zu leben

DATUM Ausgabe September 2022

Motivation und ein wenig Druck gehören meiner Meinung nach zu einem funktionierenden ­Arbeitsmarkt. Vor dem Krieg war ich immer fleißig, habe in der Marketing-Branche gut verdient. Es ist mir ­wichtig, niemandem auf der Tasche zu liegen. Gerade deswegen fällt es mir in ­Österreich so schwer. Ich sehe kaum eine Möglichkeit, mein eigenes Geld zu verdienen, und das liegt vor allem an den Regelungen hier.

Ich bekomme eine Grundversorgung für mich und meinen vierjährigen Sohn. Die beläuft sich auf knapp über 315 Euro monatlich. Zusätzlich bekomme ich jährlich 70 Euro für ­Kleidung. Das ist nicht viel, reicht aber für die wichtigsten Erledigungen. Meine Miete erlassen mir die Hauseigentümer. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar. Viele meiner Landsleute haben da weniger Glück. Zwar würde ich gerne ­arbeiten gehen und die Wohnkosten selbst bezahlen, allerdings liegt die ­Zuverdienstgrenze bei 110 Euro. Würde ich die überschreiten, würde man mir auch die Grundversorgung streichen. Da ich Deutsch aber erst lerne und Alleinerzieherin bin, habe ich noch keinen Job gefunden, der mir einen echten Lebensunterhalt gewährleisten könnte. Also spare ich, wo es geht. 

Ich benutze eine App, über die ich unverkaufte, überschüssige Lebensmittel vergünstigt abholen kann. Danach gehe ich in den Supermarkt und kaufe je nach Angebot, was mir noch fehlt. Außerdem unterstützen mich, seit ich hier bin, einige Freiwillige. Mein Nachbar lässt mich das W-LAN mitverwenden. Die Flüchtlingshelferin Tanja Mair, die schon vielen Ukrainern ­geholfen hat, gab mir ­Essensgutscheine. Bekannte schenkten meinem Sohn Spielzeug und Süßigkeiten. Ich gebe das meiste Geld für ihn aus. Denn mit 100 Euro ist es nur schwer möglich, einen Vierjährigen ordentlich zu versorgen. In der Ukraine ist zum Beispiel FSME kein Thema. In Österreich schon, also ließ ich ihn impfen. Für 60 Euro, was mehr als die Hälfte dessen ist, was ich monatlich für ihn bekomme. Das kann sich auf Dauer kaum ausgehen.

Dazu kommt, dass mein Sohn seit der Flucht neurologische Probleme hat. Kurz nachdem wir in Österreich angekommen waren, ent­wickelte er Zuckungen. Bei den Augen zum Beispiel. Manchmal hat er Schnappatmung. Der Neurologe verschrieb ihm Mineralstoffe und Vitamine, die übernimmt die Krankenkassa ­allerdings nicht. Zusätzlich ist er in Psychotherapie, aber auch hier haben wir nur noch eine bezahlte Stunde offen.

Mittlerweile gehe auch ich zu einer Therapeutin. Ich konnte erst nach drei Monaten das erste Mal richtig weinen. Freunde sind ­gestorben, und ich weiß nicht genau, wie mein Leben weiter verlaufen wird. Durchschlafen kann ich schon lange nicht mehr. Leider enden auch bald meine bezahlten Therapiestunden. 

Aber ich bin ein kontrollierter, rationaler Mensch. Ich lerne jeden Tag Deutsch, suche trotz aller Barrieren nach einem geeigneten ­Arbeitsplatz und will so meinem Sohn und mir eine Zukunft hier ermöglichen. Dafür werde ich durch­halten und alles geben.

 

Zur Person:

Kateryna Denysenko (41) flüchtete einen Tag nach Kriegsbeginn mit ihrem vierjährigen Sohn aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Vom Vater ihres Kindes ist sie getrennt. Wie Denysenko sind 70 Prozent der Geflüchteten Frauen, viele alleinerziehend, und wie sie stoßen sie in Österreich auf Hürden der Grundversorgung. 

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