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Working Class Hero

Warum die SPÖ Andreas Babler danken sollte – egal, was die Mitgliederbefragung ergibt.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Mai 2023

Es ist verblüffend, wie viel Erstaunen, gar Misstrauen ein Sozialdemokrat auslösen kann, der sich als ›links‹ bezeichnet. Wie schnell sich bei Kommentatorinnen Nervosität breit macht, wenn ein ehemaliges Arbeiterkind so ganz ›retro‹ die Armut bekämpfen will, Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich verkürzen und reiche Erben besteuern möchte. Ein linker Sozialdemokrat? Ist so was mehrheitsfähig in der eigenen Partei? Gar kanzlertauglich? Allein diese Reaktionen beweisen, wie schlecht es um die heimische Sozialdemokratie bestellt ist, wenn es als Problem erachtet wird, dass ein Kandidat um den Vorsitz der Partei mit derartigen Forderungen als zu ›links‹ gelten könnte. Was soll denn eine ­Sozialdemokratie sein, wenn nicht links? Ein weiterer Abklatsch des österreichischen Rechtspopulismus?

Auch wenn Andreas Babler am 3. Juni im Match gegen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nicht zum nächsten Vorsitzenden der SPÖ ernannt wird, kann die Partei dem Traiskirchner Bürgermeister dankbar sein. In den vergangenen Wochen ist es ihm gelungen, der Gesellschaft in Erinnerung zu rufen, wofür sozialdemokratische Politik einmal stand und wieder stehen kann. Und dass sie auch mit ihren Themen – nicht Parolen – zur Abwechslung als wichtigste Oppositionspartei ein wenig den Diskurs mitbestimmen kann. Als Babler etwa in Interviews von Arbeitszeitverkürzung gesprochen hat, wurde das tagelang von Expertinnen in den Medien diskutiert. Agendasetting vom Feinsten. Wann war das der SPÖ zum letzten Mal gelungen?

So beschämend und peinlich der Prozess um die neue Parteispitze der SPÖ mittels Mitgliederbefragung wahrgenommen wird, so wohltuend ist er in Wahrheit. Endlich scheint Österreichs Sozialdemokratie, die aus keinem einzigen Skandal des politischen Gegners der vergangenen Jahre Kapital schlagen konnte, aus ihrem Koma erwacht zu sein und sich ihrer Wurzeln zu besinnen.Das mag für viele ›retro‹ sein (manche Kommentatoren erblöden sich gar von ›sozialistischer Wiederbetätigung‹ zu sprechen), aber ist in Wirklichkeit eine Chance alte und neue Wählergruppen zu erschließen.  So haben die drei Politikwissenschafter Tarik Abou-Chadi, Reto Mitteregger und Cas Mudde in ihrer Studie ›Verlassen von der Arbeiterklasse?‹ (2021) herausgefunden, dass Sozialdemokraten nur dann Wahlen gewinnen, wenn sie sich ihrer tiefroten Wurzeln besinnen, mit wirtschaftspolitisch ›altlinken‹ und gesellschaftspolitisch ›neulinken‹ Strategien – nicht, wenn sie nach rechts schielen. Also mehr das Modell portugiesische Sozialdemokratie und weniger jenes der dänischen Socialdemokraterne, deren Programm mit Asylzentren in Ruanda und Maximalquoten für Menschen nicht-westlicher Herkunft in Wohngebieten jedes AfD-Programm in den Schatten stellt. Dass Dänemarks Genossinnen aber ausgerechnet mit dieser Politik Erfolge verbuchen und der These widersprechen, führen die Studienautoren im Gespräch lediglich auf den spezifisch dänischen Kontext zurück. Sie zu kopieren, sei noch keine Garantie für den Sieg. 

Andreas Babler scheint Mette Frederiksens extrem rechter Kurs nicht zu beeindrucken. Vielmehr grenzt er sich gegen jeden Rechtspopulismus ab, unter anderem mit der erfrischenden Ansage, die ÖVP als Koalitionspartner in Zukunft auszuschließen. Denn er verortet die ÖVP für die Wähler in einen politischen Paria-Status hinein, den sie angesichts ihrer ›Verkickelung‹ (Zitat: Anton Pelinka) längst verdient hat. Die Botschaft: Wer sein Kreuz morgen noch bei der ÖVP macht, verdient dieselbe moralische Ächtung wie jene, die es bislang bei der FPÖ getan haben. Heikel, aber mutig. Und selbstbewusst links. Ein Label, das eine österreichische Sozialdemokratie sich nur wünschen kann. Denn rechts der Mitte hat das Land genug Angebote. •