Im Dienste der Propaganda
Wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterworfen hat.
Wer in Ungarn seine Informationen vom staatlichen Nachrichtensender M1 bezieht, kann glauben, im besten Land der Welt zu leben, geführt vom besten Ministerpräsidenten der Welt. Die Corona-Pandemie ist besiegt, die Wirtschaft boomt, der Wohlstand des fleißig arbeitenden › ungarischen Menschen ‹ steigt. Viktor Orbán, Ministerpräsident, Landesvater und Alles-Bestimmer, verspricht Steuergeschenke für die Familien, erhöht den gesetzlichen Mindestlohn, kämpft gegen die › Brüsseler Bürokraten ‹. Er webt Bündnisse mit Erdoğan, Putin und Xi Jinping und wehrt alle Gefahren von Land und Bürgern ab.
In der Hauptnachrichtensendung von M1 sagt er am Abend des 11. Juni : › Wir leben im Zeitalter der Pandemien und der Völkerwanderungen. Migranten-Armeen trommeln an alle Tore Europas. ‹ Diese Sätze sagte er auch bereits am Morgen jenes Freitags in seinem zweiwöchentlichen Interview im staatlichen Radio. M1 wiederholt Auszüge daraus, zeigt dazu Orbán-Bilder aus dem Studio, den Regierungschef vor dem Radiomikrofon. › Ich schlage vor, dass wir zwei Jahre lang nicht nur keine illegale, sondern überhaupt keine Migration erlauben ‹, fügt er dann noch hinzu.
Es bleibt unklar, was Orbán damit eigentlich genau meint. Zugang zum Asylverfahren erhalten Schutzsuchende in Ungarn schon seit Jahren so gut wie keinen mehr – die EU hat deshalb auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das mitteleuropäische Mitgliedsland angestrengt. In der Vergangenheit sind Flüchtlinge durch Ungarn durchgezogen, oder, als sie noch Asyl erhielten, schnell wieder weitergezogen – unter Orbán wurden Hilfen und Integrationsmaßnahmen für anerkannte Schutzbedürftige nämlich abgeschafft. Im Land leben legal 200.000 Ausländer, 60.000 davon EU-Bürger, die freies Niederlassungsrecht genießen. Unter den Migranten mit legalem Aufenthaltstitel sind auch tausende Chinesen, die Handel treiben, Syrer und Türken, die Kebab-Läden betreiben, Ukrainer, die am Bau und in der Landwirtschaft tagelöhnen. Was soll das heißen : zwei Jahre lang gar keine Migration?
Wörter: 1168
Lesezeit: ~ 7 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.
Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:
Bei Austria-Kiosk kaufen