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Wie bereiten Sie sich auf Deportationen vor?

Warum zu viele glauben, von Rechtsextremismus nicht direkt betroffen zu sein.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe März 2024

In diesem Jahr scheint man sich an jede gute Nachricht zu klammern, die beweist, dass man nicht unter Barbaren lebt. So auch jene aus den vergangenen Wochen über die wiederholten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in deutschen Städten. Auch in Wien wurde ein Zeichen gesetzt, zumindest einmal bis Redaktionsschluss. Es ist ein Beweis, dass die Gesellschaften im deutschsprachigen Raum doch anders sind, als die Umfragen suggerieren. Es ist eine Erleichterung, und mehr noch ein Staunen, über die vielen, die Woche um Woche demonstrieren, zeigen, dass sie Demagoginnen nicht auf den Leim gehen – oder die langsam, aber sicher ein schlechtes Gewissen entwickeln, wenn sie es länger hinnehmen, dass Gewaltfantasien unwidersprochen artikuliert werden.

Endlich ist eine Mitte der Gesellschaft sichtbar, die keinen Bock mehr hat, von Politik und Medien als verängstigte Bürger infantilisiert zu werden. Der man ständig unterstellt, dass sie unfähig wäre zu anständigem Verhalten, weil das so anstrengend ist. Die überfordert wäre mit dem Einhalten rechtsstaatlicher Normen, wenn man sie einmal zu oft zu vermitteln versucht. Die sich angewidert abwendet, wenn man Solidarität mit anderen fordert. 

Dank der Recherchen des Investigativnetzwerks Correctiv über das rechtsextreme Treffen in Potsdam, bei dem Identitäre, AfD-und CDU-Politiker Deportationsfantasien gegenüber deutschen Staatsbürgerinnen gewälzt haben, ist ein Teil der Gesellschaft sichtbar aufgewacht. Endlich. 

Endlich sind auch die Ruhigsten beunruhigt. Hören zu, was in ihrem Land und rundherum seit Jahren und Jahrzehnten vor sich geht.

Einige mag dieser Erweckungsmoment freuen. Anderen bestätigt er nur, dass die Warnung vor Gefahren das richtige Timing, die richtige Orchestrierung und PR-Strategie benötigt, um selbst den Optimistischsten die Fragilität ihrer Demokratie vor Augen zu führen. 

Weil sie offenbar nie zu jenen zählten, die eine Partei, ein Wunderkind oder eine Ideologie zu Sündenböcken abgestempelt hat. Von denen nie Leitkulturalistinnen in Regierungspositionen verlangt hätten, Feiertage einzuhalten und ausschließlich in den vom Mainstream akzeptierten Supermärkten ihre Einkäufe zu tätigen – weil alles andere ›einen Nährboden für Gewalt‹ darstellen könnte. Deren Muttersprache niemals unter Generalverdacht stand und von anerkannten Journalisten als Defizit formuliert wurde, das ein Schulsystem unmöglich ausgleichen könne. Die nicht jedem Wahlkampf entgegenzittern, weil sie wissen, dass sie auch dieses Mal wie in jedem Wahlkampf davor in irgendeiner Form zum Hauptthema gemacht werden. Die nicht gedanklich schon immer einen Koffer gepackt haben für ein diffuses ›Zurück‹, das für die meisten kein Zurück ist, in der weisen Voraussicht, dass sie eine zu ruhige Mitte niemals schützen kann – oder gar schützen will.

Weil die Ruhigen die Ruhe bewahren können, weil sie glauben, nie betroffen zu sein. In einem Interview des Deutschlandfunk mit dem deutschen Theologen und Autor Stephan Anpalagan (zuletzt erschienenes Buch: ›Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft‹) kam das exemplarisch zum Ausdruck. Anpalagan, dessen Familie aus Sri Lanka stammt, wurde vom wohlmeinenden Journalisten nach dem Treffen der Deporteure in spe die Frage gestellt: ›Wie bereiten Sie sich vor?‹ 

Der Adressat ist der falsche, werter Kollege. Nicht einem deutschen Intellektuellen tamilischer Herkunft muss diese Frage gestellt werden, sondern ganz anderen, den Journalisten eingeschlossen. Wie bereiten Sie sich denn vor, wenn ein Teil Ihrer Gesellschaft plötzlich verschwinden soll, weil er als ›nicht assimiliert genug‹ gilt? Was tun Sie? 

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