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Editorial von Kurator Toni Innauer

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Dezember 2020

Juli, August, Herbst und Winter

Als Frau Holle noch alljährlich und verlässlich meterhohe Schneedecken lieferte, hieß es in vielen Alpentälern und in einem Anflug von Sehnsucht nach dem exo­ti­schen Süden, berglerischem Stolz und selten genug vorkommender Selbstironie : › Bei uns gibt es auch vier Jahreszeiten, nämlich Juli, August, Herbst und Winter … ! ‹ Der Schnee bestimmt immer noch unsere Welt, aber es ist wärmer geworden. 

Der Klimawandel hat die Vegetationszonen und das regelmäßige Zutreffen des obigen Bonmots in hö­here Regionen geschoben.

Geboren im Bregenzerwald, auf 1.200 Metern, mit der Seilbahn acht Jahre lang vom Rand des Dorfes zur Schule hinuntergegondelt und mit Skiern aufgewachsen, liebte ich den Winter. Ich sehnte den Schnee herbei und glaubte es nur zu gerne, wenn der ­Vater murmelte, dass der Schneewind blase und dass man den Schnee schon riechen könne. 

Welch kindliche Freude und Begeisterung, wenn dann über Nacht alles verwandelt war ! 

Manchmal fiel so viel Schnee, dass die Seilbahn um halb acht nicht fahren konnte, obwohl der Vater zuvor versucht hatte, die Einfahrtsschneise für die Gondeln freizuschaufeln. 

Der Winter bescherte uns einen schulfreien Tag. 

Winter, Schnee, Ski, aber auch die Luft wurden bald zu bestimmenden Größen in meinem Leben. Ich konnte meine sportliche Abenteuerlust beim ­Skispringen ausleben und später das wirtschaftliche Aufblühen des Skiverbandes als Lebensgrundlage nützen.

Vor zehn Jahren legte ich all meine Funktionen im Skisport zurück und zog mich, ein neugieriger Beobachter bleibend, aus dem Epizentrum wieder an den Rand des Wintersports zurück.

Der Schriftsteller Francesco Magris arbeitete in seinem Buch › Die Grenze ‹ heraus, dass Bewohner der Peripherie, die sich auch die Kultur, Geschichte und Traditionen des Zentrums aneignen, eine außergewöhnliche kulturelle Bereicherung erfahren können. Dabei kann eine stimulierende Vertrautheit mit zwei unterschiedlichen Sichtweisen, Kulturen und Sprachen entstehen. In Österreich, in dem Schnee, Winter und Skisport die Wirtschaft, das Lebensgefühl und die nationale Identität so stark prägen, kommt dieser Austausch zwischen der Welt des Wintersports und ihren Beo­bachtern nur allzu selten vor. Wohl auch, weil die › sozialmedizinische ‹ Bedeutung des Skisports, in Verbindung mit der speziellen ­rotweißroten Medienlandschaft, gewollt und ungewollt zu einer einseitigen Mission-Control führt. Dem deutschen Systemtheoretiker K. H. Bette fällt auf, dass im Sport, durch den permanenten Leistungsdruck, bestenfalls eine › fragmentierte Selbstbeobachtungsfähigkeit ‹ etabliert worden ist. › Eine Reflexion, die über die Horizonte der einzelnen Segmente hinausgeht, ist selten. ‹ 

Vor diesem Hintergrund ist es eine Freude und seltene Chance, auf Einladung von DATUM ein › Winterheft ‹ zu kuratieren, das beide Kulturen, die Innensicht sowie die Reflexion von außen – vom Rand des Geschehens – zu Wort kommen lassen soll.

Abschließend möchte ich mich für die professionelle und bereichernde Zusammenarbeit bei den Redaktionsmitgliedern von DATUM sowie bei allen Interviewpartnern und Autoren ganz besonders bedanken. •

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