Die Stimme bleibt

Karina R. spürte den Krebs zum ersten Mal beim Stillen. Da war ein Knubbel in ihrer Brust, den sie vorher nie bemerkt hatte. Ihre Hebamme meinte, solche Verhärtungen könnten entstehen, wenn die Muttermilch stockt. Ein paar Tage später fuhr Karina trotzdem zuerst in ein Radiologie-Zentrum, dann ins nächstgelegene Krankenhaus. Das ist jetzt über vier Jahre her.

Auch wenn es keinen richtigen Moment gibt, um an Krebs zu erkranken, für sie kam er zum vielleicht schlimmsten. Am 13. Juli 2020 brachte Karina ihr zweites Kind zur Welt, fünf Monate später erhielt sie die Diagnose Brustkrebs. Wegen ihrer Chemotherapie-Medikamente durfte sie bald nicht mehr stillen. Nach einem Jahr hatte Karina Metastasen im ganzen Körper und wusste, sie wird ihre beiden Kinder wahrscheinlich nicht aufwachsen sehen.

Am 7. Februar 2022 schickte sie deshalb ein E-Mail ab, das sie lange Zeit nicht schreiben wollte: ›Hallo, ich bin Mama von zwei bezaubernden Kleinkindern. Matthias eineinhalb und Helena bald drei Jahre alt. Ich habe metastasierenden Brustkrebs und will meinen Kindern etwas Schönes hinterlassen.‹

Der Empfänger dieser Nachricht war die deutsche Organisation ›Familienhörbuch‹. Sie lässt schwer krebskranke Mütter und Väter ihr Leben nacherzählen und hält es kostenfrei für die Hinterbliebenen auf mehrstündigen Tonaufnahmen fest. Ein Stück weit macht das Menschen wie Karina unsterblich. Sie können für ihre Kinder auch nach dem Tod noch präsent sein und ihnen Jahre später selbst erzählen, wer sie waren.