›Das Scheitern von nzz.at ist eine kleine Katastrophe‹
Über Wahrheitsfindung, liberale Stimmen und christliche Werte.
Hören Sie mich?
Es geht so. Wir treffen uns deswegen im lautesten Lokal von Wien, weil ich gerne in Lokale gehe, in denen alle jünger sind als ich. Dadurch fühle ich mich jünger. Und ich hasse Lokale, wo alle älter sind, das halte ich nicht mehr aus. So merkt man, dass man selber älter wird. Außerdem ist es das Café Français, und es sind bald französische Stichwahlen.
Wer wird gewinnen?
Macron. Aber Le Pen wird besser liegen, als Experten und Umfragen prognostizieren. Der wahre Grund für die Lokalwahl ist übrigens, dass die Wasagasse um die Ecke ist und ich gleich zum Elternsprechtag meiner Tochter muss.
Sie haben selbst das Gymnasium Wasagasse besucht.
Ja, ich war Schulsprecher, drei Mal!
Dass diese ganzen Alphamänner im polit-medialen Betrieb wirklich alle Schulsprecher waren!
Wer noch?
Rudolf Fußi etwa.
Ich steh jetzt auf und geh!
In die Wasagasse sind auch Torberg, Zweig und Fried gegangen. Wiegt das schwer auf den Absolventenschultern?
Da wiegen die ›Presse‹-Chefredakteure der letzten 165 Jahre schwerer.
Das jüngste Projekt Ihres Vorgängers Michael Fleischhacker wurde gerade eingestellt. Welche Lektionen ziehen Sie aus dem Scheitern von nzz.at?
Du brauchst eine bestehende hohe Reichweite, um zahlende Onlinekunden zu bekommen. Dann muss es technisch einfach sein und von Anfang an funktionieren. Und auch wenn ich eitel bin und gerne über Erfolge spreche, ist es doch sehr wichtig, zu Beginn eines Projekts den Ball möglichst flachzuhalten. All das war bei nzz.at nicht der Fall. Das Scheitern ist für den Medienstandort aber eine kleine Katastrophe, schon deshalb, weil es nun eine liberale Stimme weniger gibt.
In Fleischhackers neuem Projekt aus dem Hause Mateschitz soll es um die Wahrheit gehen.
Die handelnden Personen lieben eben das große Wort und die großen Vorhaben. Wenn es eine Art Plattform zur Überprüfung von Gerüchten und Falschmeldungen wird, kann man das nur begrüßen. Aber ich persönlich arbeite lieber weder für den Staat noch für jemanden, der das gar nicht als Geschäft sieht, sondern als persönliche altruistische Mission zur Wahrheitsfindung. Das ist immer gefährlich, denn wenn sich der das anders überlegt, ist es aus. Wenn ich in einem Laden arbeite, der am Schluss ein Plus ablegt, ist das meine beste Arbeitsplatzsicherung.
Bei der ›Presse‹ arbeiten Sie für die Kirche.
Nein, nein, nein, nein!
Der dahinter stehende Styria-Verlag ist in Besitz der ›Katholischer Medien Verein Privatstiftung‹.
Also erstens einmal ist das eine derartig komplexe, geniale Stiftungskonstruktion mit einem unabhängigen Vorstand und einem Aufsichtsrat, die jede Intervention de facto unmöglich macht. Und der Stiftungszweck ist klar: Orientierung und Vertrauen schaffen. Wenn solche Werte christlich sind, dann sind wir natürlich christlich, aber nicht kirchlich. Und ich kann sagen, dass ich in vier Jahren als Chefredakteur nur einen einzigen Brief bekommen habe, in dem ich gebeten wurde, etwas über das neue Buch des Bischofs von Graz-Seckau machen.
Von wem kam der Brief?
Vom Bischof.
Und was haben Sie gemacht?
Einen Einspalter. Aber den hätten wir auch so gemacht.
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