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Die Verschwörungs-Predigerin

B. D. treibt von Tirol aus die digitale Verbreitung des QAnon-Mythos voran. Porträt einer Leitfigur der deutschsprachigen Szene.

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Illustration:
Nicola Ferrarese
DATUM Ausgabe Februar 2022

Ihr Lieben, alle miteinander!‹ Eine Frau mittleren Alters, schick gekleidet in einen türkisen Anorak mit passendem Stirnband, steht auf einer Wiese vor einer prächtigen Bergkulisse und lächelt in ihre Handykamera. ›Der erste Schnee ist gefallen, es ist kühl geworden am Wilden Kaiser‹, sagt sie. Sie lässt ihr Publikum an der malerischen Umgebung des Tiroler Dorfs teilhaben, in dem sie ihr Video aufnimmt. Nach wenigen Sekunden kippt grundlos die Stimmung.

Dann redet die Dame mit dem gepflegten Äußeren plötzlich vom ›Sturm, der über uns ist‹, der ›jahrtausendealte Welten zusammenbrechen lassen wird‹. Um sich auf diesen vorzubereiten, sei man ›gut beraten, in die Natur zu gehen‹. Sich zu ›verbinden mit der Christus-Energie‹. Unfassbare Meldungen lägen ihr vor, von unterirdischen Camps, wo hunderte Kinder jeden Alters festgehalten würden, aus allen Teilen der Welt, um aus ihnen Adrenochrom zu gewinnen. Geschäfte würden damit gemacht, ›für Verjüngung‹, das Ausmaß des Leides der Kinder könne man gar nicht erfassen. Aber es würde ein Kampf geführt, gegen die ›Nicht-Menschen in den Jahrtausende alten Höhlen‹, gegen die ›satanischen‹ Netzwerke, die Kinder würden befreit. Das ›große Erwachen‹ sei in vollem Gange.

Es sind wahnhaft anmutende Szenarien voller Widersprüche, die mit der Realität so viel gemeinsam haben wie ein Fiebertraum. Aussagen, die so wirr wie auch aggressiv sind, dass man sich kopfschüttelnd und irritiert abwendet. In Wahrheit sollte das, was B. D. in den vergangenen zwei Jahren vor allem über das Netz, über Telegram und diverse Video-Plattformen verbreitet, vielen Sorgen machen: den Behörden, der Polizei, der aufgeklärten Gesellschaft.

Die derzeit in Österreich ansässige D. ist eine der Hauptprotagonistinnen der QAnon-Szene im gesamten deutschsprachigen Raum. Vor allem ist sie eine der wenigen großen, digitalen Player und Verbreiter der QAnon-Verschwörungsideologie, die ganz offen und namentlich in Erscheinung treten. In ihren Telegram-Channels und Gruppen, auf ihren Video-Kanälen der diversen Plattformen, verlinkt D. massenhaft die deutschsprachigen QAnon-Accounts, Fotos, Videos und einschlägigen Artikel – ein schier unendlicher Strom aus Verschwörungsideologie und Antisemitismus, erfundenen und tatsächlich echten Berichten über Kindesmissbrauch und Pädophilie, die das QAnon-Weltbild und die kruden Annahmen untermauern sollen.

Über ihren größten Telegram-Kanal erreicht D. das beachtliche Publik von fast 11.000 Abonnenten. Von einer Finca im sonnigen Mallorca aus fantasiert sie davon, ›diese inhumanoide (sic) Rasse‹ auszulöschen. Ihre Hetze richtet sich gegen Politiker aus SPD und CDU ebenso wie gegen den in der verschwörungsideologischen Corona-Leugner-Szene verhassten US-Immunologen Anthony Fauci, den sie mit dem NS-Massenmörder Josef Mengele vergleicht. ›Allen, die wirklich Blut an den Fingern haben – Todesstrafe. Sag ich ganz klar. Sie haben hier kein Leben verdient, weil sie keine Menschen sind‹, sagt D. in einem der Videos.

Ihre Entwicklung seit Beginn der Pandemie ist die Geschichte einer Radikalisierung, sie ist ein Extrembeispiel – das jedoch zeigt, wie schnell sich das antisemitische QAnon-Gedankengut während der Pandemie in Europa unter sogenannten ›Querdenkern‹, Impfgegnern und Corona-Leugnern verbreiten konnte, andere Verschwörungserzählungen zu integrieren vermochte und nun seine demokratiezersetzende Wirkung voll entfalten kann.

Die Haupterzählung, die D. und die von ihr geteilten, noch reichweitenstärkeren Accounts verbreiten, ist inzwischen bekannt: Der ›Kampf‹ gegen eine vermeintlich satanische, pädophile und geheime Elite, die entweder als ›jüdische Sekte‹, als Freimaurer-Loge oder als Gesellschaft von ›Reptiloiden‹ geschildert wird – diese soll an geheimen Orten tausende Kinder gefangen halten, foltern und aus ihrem Blut Adrenochrom gewinnen, ein tatsächlich existentes Spaltprodukt von Adrenalin.

Dieses soll der geheimen Elite als Rauschmittel und als Verjüngungselixier dienen. Diese absurde Erzählung ist im Kern nichts anderes als der jahrhundertealte, christlich-antisemitische Ritualmord-Mythos, der im Laufe der Geschichte zu zahlreichen Pogromen geführt hatte – adaptiert und ergänzt um die Vorstellung eines ›Tiefen Staates‹, des Deep States, wo die besagte Elite im Verborgenen die Fäden zieht und alles Unheil über die Welt bringt.

Zentral ist ebenso die messianische Vorstellung eines Endkampfs derer, die über die angeblichen okkulten Machenschaften Bescheid wissen, der ›Erwachten‹, und die nun zum finalen Endkampf gegen das Böse schlechthin angetreten seien. Als Erlöserfigur gilt seit der Frühphase der QAnon-Verschwörungsideologie Ex-US-Präsident Donald Trump, dessen Kampf gegen den angeblichen Deep State die sogenannten ›Q drops‹, anonyme, kryptische Nachrichten auf Messageboards wie 4chan oder 8chan, enthüllt hätten und der schließlich auch die tausenden eingekerkerten Kinder befreien werde.
Die Kommunikationswissenschaftler Katharina Kleinen-von Königslöw und Gerret von Nordheim von der Universität Hamburg beschäftigen sich intensiv mit den Mechanismen politischer Agitation in den sozialen Nachrichtenplattformen.

Sie haben nachgezeichnet, wie die QAnon-Verschwörungsideologie seit ihrem erstmaligen Auftauchen 2016 von den politischen Rändern zu einem gefährlichen Mainstream-Phänomen geworden ist. Nicht nur Newsfeeds auf Facebook und Twitter, sondern immer stärker auch der Messengerdienst Telegram boten die idealen Voraussetzungen, schreiben die beiden Wissenschaftler in einem zusammenfassenden Fachartikel für die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung. Das Nebeneinander von privaten Meinungen, geäußert vom Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis, und mehr oder weniger glaubwürdigen Informationen und Nachrichtenageboten mit zum Teil kommerzieller Absicht: Dieser Mix erlaube es jenen, die verschwörungsideologische Inhalte bewusst und systematisch verbreiten wollen, ihre Strategien bestmöglich anzuwenden: ›Insbesondere Plattformen, die auch anonyme Beiträge zulassen, sind daher ideale Infrastrukturen für Verschwörungstheorien.‹

Waren es zunächst einschlägige und eher klandestine Plattformen wie Reddit oder 4chan, auf denen QAnon-Inhalte zu finden waren, so gingen bald Youtube-Influencer aus der rechten Szene dazu über, die Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Das Ziel dabei: Mehr Follower zu generieren, dadurch mehr Clicks und auch mehr Einnahmen von Youtube zu erzielen. Die Algorithmen auf den großen Plattformen wie Youtube und Facebook sorgten dann für eine noch flächigere Verbreitung.

Eine zentrale Rolle dabei spiele eben bei vielen Usern der Mangel an Medienkompetenz – das Vermögen, einzuschätzen, welche Inhalte als gesichert und welche als dubios oder falsch einzuschätzen seien. Das trifft freilich keineswegs nur die älteren Generationen, wenngleich diese ebenso stark digital vernetzt und dabei vergleichsweise unerfahren im digitalen Medienkonsum sind. Immer schon habe es politische Akteure gegeben, die auf Destabilisierung des politischen Systems aus seien und deren Ziel es ebenso sei, etablierte Medien zu diskreditieren, sagt Kleinen-von Königslöw. Die zahlreichen Unbedarften, die seit Ausbruch der Corona-Pandemie auf den digitalen Plattformen nach Antworten gesucht hätten, würden nun als immenser Verstärker jener fungieren, die bewusst Verschwörungserzählungen wie jene von QAnon verbreiten.

Die Corona-Pandemie und die algorithmische Funktionsweise Sozialer ­Medien, in denen sich abertausende Verschwörungsgläubige, Impfgegner und Corona-Leugner vernetzen – sie haben den QAnon-Fokus längst von Trump weggerückt. Vor allem das zentrale Motiv des Schutzes ihrer Kinder vor der Maskenpflicht oder den Impfungen ist besonders anschlussfähig an die Kernerzählung von QAnon – entsprechende Empfehlungen in Sozialen Netzwerken sorgten dafür, dass Impfgegner-Eltern und Corona-Leugner in den vergangenen zwei Jahren im Netz intensiv ­QAnon-Inhalte empfohlen bekamen. ›Save our Children‹ heißt seither das CoronaLeugner-Motto in Großbritannien, ›Rettet die Kinder‹ in Deutschland – QAnon ist längst von einem US-amerikanischen Wahlkampf-Tool von Trumpisten und Rechtsextremen zu einem europäischen Massenphänomen geworden.

›Q‹ ist anschlussfähig an so ziemlich jede Verschwörungserzählung, die seit Beginn der Pandemie on- und offline verbreitet wurde: Reichsbürger und Staatsverweigerer tragen seit Monaten auf CoronaLeugner-Demos QAnon-Symbole auf ihren T-Shirts und auf ihren Transparenten, die Deep-State-Ideologie passt perfekt zu ihrer Verschwörungserzählung eines Staates, der eigentlich eine Firma sei und gar nicht existiere. Von einer ›Omniverschwörung‹ sprechen deshalb Extremismus- und Radikalisierungsforscher.

Spät und erst auf politischen Druck hin reagierten die großen Sozialen Netzwerke auf die verschwörungsideologische Flut: Irgendwann wurde auch B. D.s Youtube-Kanal, den zuletzt rund 30.000 Nutzer abonniert hatten, ›deplatformed‹, also gesperrt. Zählt die QAnon-gläubige D. zu jenen, denen es rein um einen ideologischen Kampf geht, um eine Beseitigung des politischen Systems, um den ›Erlöser‹ Trump? Oder hat sie auch geschäftliche Interessen? Mit esoterischen Ansätzen und hochdubiosen ›Geschäftsmodellen‹ fiel D. schon lange vor der Pandemie auf.

Die aus dem ostdeutschen Cottbus stammende ›Visionärin‹ und ›Autorin‹ erzählt in ihren Videos auch von den Demonstrationen gegen das SED-Regime zur Wendezeit, die Anstoß für ihr späteres politisches Engagement gewesen seien. Sie habe viele Jahre in Hamburg gelebt, sagt sie, und dorthin würde sie auch wieder zurückkehren, wenn der ›Deep State BRD‹ endlich verschwinden würde. Ab 2012 habe sie angefangen, ›die BRD zu hinterfragen‹, später auf ›Mahnwachen‹-Veranstaltungen gesprochen. Sogar eine Partei habe sie eigenen Angaben zufolge gegründet, ›Die neue Mitte‹.

Zusammen mit ihrem Partner Dr. R., einem ehemaligen Zahnarzt, der 2014 ›keine Lust mehr auf das Gesundheitssystem in Deutschland‹ hatte, engagierte sie sich für ein dubioses ›Business-Netzwerk‹ namens ›Lavylites‹, das Verbindungen nach Ungarn und in die Steiermark aufweist. Was genau dahinter steckt, bleibt ebenso im Dunkeln wie das eigentlich vertriebene Produkt – offensichtlich handelt es sich unter anderem um Gesichtssprays. Im Netz finden sich zahlreiche Videos, in denen D. und R. Werbung für ›Lavylites-Events‹ machen. Heute ist R. eigenen Angaben zufolge für ein weiteres Kosmetik-Unternehmen engagiert, das seine Produkte mit ›Meteoritenstaub‹ anreichert: ›Kosmische Kosmetik als Unique Selling Point, was für eine Chance!‹

Im Dezember 2019, wenige Monate vor Ausbruch der Pandemie, meldete das Paar bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein den Verein ›Poesie & Genuss‹ an. Dort soll laut eigenen Angaben ›Brauchtum, Kunst und Kultur‹ gefördert werden, eines der ›Projekte‹ des Vereins: D.s Initiative ›Befreit die Kinder‹, das wiederum mit einer eigenen Website aufwartet. Die Initiative bietet ›Hilfe und Hotline für betroffene Mütter, Väter und Kinder, Hilfe bei Ärger mit dem Jugendamt, Gericht und Polizei‹ – und verweist zudem auf D.s Telegram-Kanäle. Dutzenden von Müttern, deren Kinder von den Jugendämtern ›geraubt‹ worden seien, habe sie bereits geholfen, sagt D. in ihren Videos.

Immer als Referenzpunkt dabei: Donald Trump, dessen Statements auf D.s Homepage prangen, der ›Erlöser‹ der QAnon-Gläubigen und Retter der Kinder. Und immer wieder auf der Homepage: der Aufruf zu spenden, die Arbeit von ›Befreit die Kinder‹ zu unterstützen. Bankverbindung oder Paypal, man dankt für die Unterstützung.

Details und Fakten über die angeblich von den deutschen Jugendämtern geraubten Kinder bleibt D. auf allen ihren Kanälen schuldig – ebenso wie Antworten auf die Frage, was genau mit den Spendengeldern, um die sie wirbt, passiert. Es bleibt bei Andeutungen der jeweiligen Fälle. Geschickt vermischt D. stattdessen ihre angebliche Arbeit als ›Kinderbefreierin‹ mit tatsächlich bestätigten Meldungen über Kinderpornografie und Missbrauch aus den sonst so verhassten ›Mainstreammedien‹. Verschwörungserzählungen, wonach Jugendämter angeblich grundlos Kinder ›entführen‹ würden, um diese gewinnbringend zu verkaufen, kursieren im Netz bereits seit Längerem. D. allerdings bringt sie direkt in den Kontext der QAnon-Ideologie.

Auf Telegram und in ihren Videos bettet sie die angeblich von ihr behandelten Fälle ein, in den Strom aus Horrormeldungen über das angeblich satanische Kinderschänder-Netzwerk. Stets aber nennt D. die vollen Namen von Jugendamt-Mitarbeitern, baut diese zu Feindbildern auf und gibt sie so ihrer Anhängerschaft preis. Dass diese zu Adressaten der Aggression der verschwörungsideologischen Szene werden können, beweisen Vorfälle im Deutschen Kinderschutzbund. Seit Pandemiebeginn sei man ›Angriffsziel von Corona-Leugnern und Impfgegnern‹ geworden, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er und sein Team sahen sich in den vergangenen zwei Jahren mit Shitstorms konfrontiert.

Aber D. kann auch ganz anders. Wenn es darum geht, Werbung für die eigene Sache zu machen, verzichtet die Verschwörungsideologin ganz auf die hasserfüllte Rhetorik, die man von ihren Telegram-Videos kennt. Mitte Mai 2021 findet unter dem Titel ›Kinder der Zukunft‹ ein großangelegter Online-Kongress statt. Mit dabei sind neben klassisch orientierten Esoterikern auch der Popstar Xavier Naidoo, der auf seinen reichweitenstarken Kanälen schon zu Anfang der Pandemie QAnon-Inhalte verbreitete, und Alexander Ehrlich, der als Organisator von CoronaLeugner-Demos in Wien oder vor der KZ-Gedenkstätte Mauthausen bekannt ist. Neben ihnen spricht auch Ricardo Leppe, ein Anhänger der aus Russland stammenden, völkisch-rechtsesoterischen Anastasia-Ideologie und der rechtsextremen, antisemitischen ›Germanischen neuen Medizin‹.

Mit einem Hündchen am Schoß sitzt D. vor der Kamera, sie sei ›in diesen schwierigen Zeiten ein wenig abgelenkt worden‹ sagt sie. Kein Wort verliert D. dieses Mal über die angeblichen satanischen Netzwerke, über die Echsenwesen in den dunklen Kellern dieser Welt und die gefolterten Kinder, das Reptilienwesen Angela Merkel oder das ›khasarisch-zionistische Verbrechersyndikat‹. Lieber spricht sie über ein von ihr verfasstes Kindermusical namens ›Zellchen und seine Freunde‹. Da geht es um Gesundheit und den menschlichen Organismus, das Musical soll den Kindern Bewusstsein für ihren Körper und seine Funktionsweise entwickeln helfen. D. erzählt von geplanten Kinder-Camps auf Mallorca, wo sich die Kinder erholen könnten, von all den schlimmen Dingen, die sie erlebt hätten.

Nur Tage später jagt D. erneut einen angeblichen ›Fall von Kindesentführung‹ durch ihre digitalen Kanäle, attackiert namentlich die zuständigen Beamten des Jugendamts in Deutschland und redet von ›Kinderraub in der Okkupationsverwaltung BRD‹. Sie spricht über die Rheinwiesenlager, wo ›die Alliierten deutsche Kriegsgefangene verrotten haben lassen‹. Über die ›Vergasungslüge‹ und über die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die sie ›die edle Dame‹ nennt. Twitter-User haben das Video zur Anzeige gebracht, über das Portal hassmelden.de, die zentrale Anlaufstelle der deutschen Regierung für Hatespeech. Das deutsche Bundeskriminalamt will zudem die Betreiber von Telegram unter Druck setzen, damit dort verhetzende, rechtsextreme oder verschwörungsideologische Inhalte gelöscht werden. Man wolle Telegram mit Anfragen und Löschungsversuchen zu diesen Inhalten ›fluten‹, berichtete die Welt – um bei den bisher völlig untätigen Betreibern zumindest ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Problems zu schaffen.

Wieso D. und ihr Partner Österreich als ihre neue Heimat ausgewählt haben, bleibt offen. ›Ihre Tätigkeiten sind den Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden bekannt‹, ist in einer schriftlichen Stellungnahme aus dem Innenministerium zu lesen. Und: ›Die QAnon-Bewegung wird von den Staatsschutzbehörden im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfüllung und der rechtlichen Möglichkeiten beobachtet, um etwaige Gefahren rechtzeitig zu erkennen und abwehren zu können.‹ Eine schriftliche Anfrage um Stellungnahme ließ D. unbeantwortet.

Fest steht vor allem: Die Esoterik-Szene, das verschwörungsideologische Milieu und die Corona-Leugner-Szene haben allesamt keinerlei Problem mit den QAnon-Antisemiten in ihrer Mitte. Das zeigt nicht nur das Beispiel des Online-Kongresses ›Kinder der Zukunft‹, der – nicht untypisch für die Szene – transnational und von Personen aus Deutschland wie auch aus Österreich organisiert wurde. Die antisemitischen Verschwörungsgeschichten, die D. täglich zu hunderten auf ihren digitalen Kanälen verbreitet oder von anderen QAnon-Accounts repostet, werden in den Telegram-Gruppen der Demo-Organisatoren fleißig geteilt.

Auch in jenen Telegram-Gruppen, in denen sich Impfgegner-Eltern gegenseitig über die Möglichkeiten des häuslichen Unterrichts austauschen, finden sich die Posts aus D.s Gruppen. Sie selbst verweist auf die Demonstrationen in Wien, teilt Berichte rechtsextremer Medien, die auf die scheinbar immer stärker werdende ›Bewegung‹ auf der Straße abzielen. Es sind auch Netzwerker und Szene-Größen wie D., die dafür gesorgt haben, dass die antisemitische QAnon-Ideologie auf breiter Linie Teil der Corona-Leugner-Szene in Österreich geworden ist.

Egal, was die tägliche Medienlage in der Pandemie hergibt: In den Telegram-Kanälen von D. und ihren Mitstreitern wird alles in das verschwörungsideologische Weltbild aufgenommen und eingebaut. Im Rumpf des im Suez-Kanal festsitzenden Tankers ›Ever Given‹ befänden sich etwa tausende geknechtete Kinder, deren Befreiung organisiert werde, fabuliert D. Der Tod des EU-Parlamentspräsidenten Sassoli? ›Vielleicht wurde er gerichtet‹, sagt die Verschwörungsstreamerin in einem ihrer Videos. •

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