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In Wüstenhitze und Eiseskälte

Die mongolischen Nomaden sterben aus. Schuld ist der Klimawandel und politische Ignoranz.

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Fotografie:
Sascha Montag
DATUM Ausgabe Juni 2018

Bevor er sich auf die Reise in sein verflossenes Leben begeben kann, muss er noch vierundzwanzig Stunden Dienst schieben. Wachmann Chinzorig, Sohn des Budsuren, liegt auf der Pritsche in seiner Kammer. Der grieselige Fernsehapparat an der Wand zeigt ein Musikvideo: Pferde galoppieren durch die weite mongolische Steppe, ein Adler kreist am wolkenlos blauen Himmel und landet auf dem Arm eines Nomaden mit Fellmütze. Lieder der Pferdekopfgeige, die nach Sehnsucht klingen. Chinzorig zieht eine Zigarette aus der Schachtel. ›Die Steppe ist mein Zuhause‹, sagt er und lächelt müde. ›Aber zurück kann ich nur noch für ein paar Tage im Jahr.‹

Chinzorig bewacht eine kleine, heruntergekommene Krankenstation am Rande der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator. Auch diesmal wird nichts passieren, weil nie etwas passiert. ›Die Polizei liegt gleich um die Ecke‹, sagt er. Chinzorig tritt hinaus in die Dunkelheit und steckt sich die Zigarette in den Mund. Ringsum: Wohnblocks aus der Sowjetzeit. In einem Basketballkäfig werfen Jugendliche scheppernde Körbe. Die Feuerzeugflamme erleuchtet Chinzorigs weiche, kindliche Gesichtszüge. Siebenunddreißig Jahre ist er alt. Vor siebzehn Jahren kam er mit Eltern und Geschwistern in die Stadt. Der weiße Tod hatte ihr Vieh dahingerafft, jene katastrophale Schneewetterlage, für die es im Mongolischen ein eigenes Wort gibt: Dzud.

Das mongolische Nomadenvolk lebt seit jeher in einem Land klimatischer Extreme. Vierzig Grad im Sommer und minus vierzig Grad im Winter sind normal.

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Wörter: 2339

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Lesezeit: ~ 13 Minuten

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