Raus aus der Blase

Leaving Beijing‹ – so heißt eine seit Mitte Mai bestehende Gruppe im Messenger-Dienst Wechat (Chinas Antwort auf Whatsapp). Darin werden Tipps über Flüge, Umzugsunternehmen und alles andere ausgetauscht, was man eben so benötigt, um China als dort ansässiger Ausländer wieder Richtung Heimat zu verlassen. Binnen Stunden nach Erstellung der Gruppe hatte sie 300 Mitglieder, und das nur in der Hauptstadt. Ähnliche Gruppen bildeten sich für andere chinesische Städte.  

Denn es gibt zurzeit einen regelrechten Exodus von Ausländern aus China. Laut einer Studie der Britischen Handelskammer werden China heuer etwa 40 Prozent der Lehrer an internationalen Schulen verloren gehen. Der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, sagte im Frühling, dass sich die Zahl der Ausländer in China seit Anfang der Pandemie halbiert habe und sich im Sommer nochmals halbieren könnte.

Immer wieder hört man von Freunden, Kollegen und Bekannten, dass auch sie ihre Koffer packen oder entschieden haben, bis Ende des Jahres zu gehen. Das betrifft auch Leute mit festen Verbindungen zu China, die viele Jahre dort verbracht haben, mit einer Chinesin oder einem Chinesen verheiratet sind, die Sprache beherrschen und bis vor Kurzem nie die Absicht hatten zu gehen. Sie alle sagen: Jetzt sei ein Punkt gekommen, an dem sie gemerkt hätten, sie könnten nicht mehr bleiben. 

Warum gerade jetzt? Zuerst ein paar Zahlen. Gar so viele Ausländer gibt es in China sowieso nicht. Laut dem Siebten Nationalen Zensus lebten 2020 knapp unter 845.700 Ausländer auf dem Festland (ohne Hongkong, Taiwan und Macau). Zum Vergleich: Im kleinen Österreich lebten laut Statistik Austria im gleichen Jahr 1,53 Millionen nicht-österreichische Staatsangehörige. Aufgrund der geringen Zahl an Expats in China lässt sich aus dem Verhalten einiger hundert Ausländer also durchaus ein Trend ablesen.