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Reise nach Melilla

Ein junger Österreicher sucht in Marokko die afrikanischen Männer auf, die über den Zaun nach Europa wollen.

Text & Fotografie:
Moritz Ablinger
DATUM Ausgabe Februar 2020

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, seit ich an der Küste von Kos aufs Meer hinaus geblickt habe. Bikeguide Lars erzählte damals, dass der Strand in den Jahren zuvor oftmals komplett orange, voll mit Schwimmwesten gewesen sei. Im­mer wieder hätte man auch Tote aus dem Meer gefischt. Hier, wo inzwischen wieder Liegestühle Armlehne an Armlehne standen. Die Parks von Kos-Stadt seien überfüllt mit Zelten und Menschen gewesen, die Hilfe aus der EU habe lange auf sich warten lassen. Die Bilder eines syrischen Flüchtlingsjungen, der drüben an der tür­kischen Küste angespült wurde, gingen um die Welt. 

Zwei Jahre nach der Flüchtlingsbewegung waren wir in Kos, um eine Reportage über Mountainbike-Trails auf den Dodekanes-Inseln zu fotografieren. Wie nah sich all die Dramen eigentlich abspielten, wurde mir erst da so richtig bewusst. Mir, einem in einer Gesellschaft ohne große Risiken Aufgewachsenen. Mir, dem Typ mit langer, blonder Surfer-Mähne, der von anderen gerne als Moralapostel belächelt wurde, wenn er wieder über Plastikmüll im Meer, Bio-Gemüse und den Klimawandel sinnierte. Mir, einem Mitteleuropäer Anfang 20, der sich bis dahin primär in der ZIB 2 und bei Diskussionen am elterlichen Esstisch mit dem Thema Migration befasst hatte. Viel zu lange viel zu passiv, wie ich heute finde. 

Also mache ich mich im August 2019 auf den Weg nach Melilla, einer kleinen Hafenstadt an der marokkanischen Mittelmeerküste, die geografisch gesehen zum afrikanischen Kontinent gehört. Politisch gesehen ist die spanische Exklave ein Teil der EU. Afrika und die EU trennt hier nur eines : ein mehrreihiger, mehrere Meter hoher Grenzzaun. Auf marokkanischer Seite des Zaunes erreichte die Flüchtlingsbewegung bereits 2014 ihren Höhepunkt, damals hielten sich Schätzungen zufolge mehrere tausend Flüchtlinge vor den Toren Melillas, im Gebirgsmassiv Gourougou, auf. In den vergangenen Jahren haben die marokkanische Polizei und die Armee ihre Präsenz verstärkt, den Großteil der Migranten in Flüchtlingslager verlegt, oder sie direkt abgeschoben. Das führte schlussendlich dazu, dass sich die noch verbleibenden Migranten heute ein ständiges Versteckspiel mit den Einsatzkräften liefern. Die Ordnungshüter auf beiden Seiten des Zaunes haben ihre eigenen Methoden, um mit dem Thema umzugehen. Immer wieder gibt es Berichte über ausufernde Polizeigewalt.

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