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Wir ernten, was wir säen

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe März 2024

Timothy Snyder, der vielleicht wichtigste Ukraine-Erklärer im Westen, wirkt müde, als er an diesem Morgen Ende Februar nach dem Mikrofon greift. Der Yale-Professor ist erst am Vorabend von der Münchner Sicherheitskonferenz zurückgekehrt und soll jetzt an seinem beruflichen Zweitwohnsitz, dem Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen, über den Krieg sprechen, dessen Beginn sich in der österreichischen Wahrnehmung zum zweiten, tatsächlich aber zum zehnten Mal jährt.

Er werde oft gefragt, ob er sich optimistisch oder pessimistisch fühle im Hinblick auf die Ukraine, erzählt Snyder. ›Aber wichtig ist nicht, was wir fühlen, sondern was wir tun. Die Ukrainer machen ihre Sache gut, solange sie bekommen, was sie brauchen. Das ist unser Job, und wir machen ihn einfach nicht.‹ Der amerikanische Historiker meint in erster Linie die USA, aber er erinnert auch daran, dass nach der Wahl im November alles anders sein kann: ›Vielleicht gibt es Unruhen auf den Straßen, und die NATO spielt für uns keine Rolle mehr. Die Europäer sollten für diesen Fall mit dem Üben beginnen.‹

Die eigentlich relevante Frage sei aber sowieso nicht, wie es der Ukraine gehe, sagt Snyder, sondern: Wie geht es den Russen? Wie viel kann deren System noch aushalten? Ist der vollständige Umbau der russischen Wirtschaft auf Kriegswirtschaft ein Hinweis auf einen bevorstehenden Sieg? Oder ein Zeichen, dass Moskau bald am Ende seiner Kräfte ist? 

Genau diesen Fragen haben wir auch den Schwerpunkt dieser Ausgabe von DATUM ge­wid­met. Bernhard Odehnal hat mit dem Russland-Experten Mark Galeotti über die Bedeutung des Todes von Alexej Nawalny, die bevorstehende Präsidentschaftswahl und die Schwachstellen in Putins Regime gesprochen. Galeottis Kollege David Lewis schildert, wie Russland die besetzten Teile der Ukraine ideologisch einfärbt und administrativ umbaut. Und Denis Trubetskoy berichtet aus Kiew, wozu Moskaus langer Atem die Ukraine zwingt: die Umstellung auf den Krieg als Dauerzustand.

Das Cover dazu haben wir kurz nach dem Tod Alexej Nawalnys ausgewählt. Es ist ein Foto von einem Plakat, das das medizinhistorische Museum in Riga im März 2022 vor seine Fassade gespannt hat – genau gegenüber der Botschaft Russlands. Es zeigt Putin als ›Totenmann‹, der mit jedem Tod, den er bringt, selbst ein Stück weit stirbt. Du erntest, was du säst, stand über dem ursprünglichen Entwurf des verantwort­lichen Künstlers Krišs Salmanis.

Der Wunsch nach einem Ende des Putin-Regimes sollte uns aber nicht zu direkter Einflussnahme verleiten. Davon ist jedenfalls Timothy Snyder überzeugt. ›Keine Maßnahme europäischer oder amerikanischer Russlandpolitik hat je zum erwünschten Ziel geführt‹, sagte er im IWM. ›Wir können Russland weder schaden noch helfen. Nur indirekt, indem wir der Ukraine ermöglichen, es zu besiegen. Es gibt immer die Möglichkeit eines anderen Russlands, aber dazu muss das System erst einmal aufbrechen.‹ •

Ich wünsche Ihnen viel Freude mit den Seiten der Zeit!

Ihre Elisalex Henckel

elisalex.henckel@datum.at

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