›Männer muss ich bremsen, Frauen in den Hintern treten‹

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Februar 2023

Name : Tessa Hartmann, 35

Beruf : selbstständige Fitnesstrainerin und Sportwissenschafterin 

Warum sind Sie Fitnesstrainerin geworden?

Ich habe als Zweijährige mit Kinderturnen und Wettkampfsport begonnen. Mit der Zeit wollte ich wissen, wie meine sportliche Leistung zustande kommt. Mit 26 habe ich beschlossen, Sport zu studieren. 

Was müssen Sie gut können?

Ich muss mich mit Bio-Mechanik, Anatomie und Trainingslehre auskennen und pädagogische Skills mitbringen. Und man sollte eine offene und zugängliche Persönlichkeit haben.

Wie wird man Fitnesstrainerin?

Als Fitnesstrainer kann sich jeder bezeichnen. Es gibt nur wenige, die, wie ich, von diesem Beruf leben. Viele trainieren einfach Freunde und Kollegen am Wochenende. Sportwissenschafterin hingegen ist man erst nach einem Studium oder einer staatlichen Trainerausbildung. In der Praxis ist der Unterschied aber für Kunden schwer zu erkennen. 

Ist das ein Problem?

Ein Problem ist, dass viele Menschen nicht wissen, wie sie richtig trainieren sollen und viel Halbwissen hören. Ich breche die Dinge dann herunter, denn für die meisten reichen korrekt erklärte Grundlagen.

Wie läuft Ihr Arbeitstag ab?

Ich bin früh und spät abends im Studio, da die meisten meiner Kunden berufstätig sind. Ich arbeite dann, wenn andere frei haben. Seit einiger Zeit betreibe ich auch Online-Coaching. Es gibt Kunden, die möchten gerne zu Hause trainieren und haben das Equipment selbst.

Sehen Sie geschlechtsspezifische Unterschiede?

Meistens muss ich die Männer bremsen und Frauen ein wenig in den Hintern treten. Die einen über- und die anderen unterschätzen sich. 

Gibt es vonseiten der Kunden auch Grenzüberschreitungen?

Ich bekomme immer wieder Anfragen für Dates am Wochenende, aber übergriffig wurde bei mir noch niemand. 

Sind viele Kundenwünsche unrealistisch?

Ja, denn die meisten wollen in sehr kurzer Zeit viel Körperfett verlieren. Aber eine langfristige Balance im Alltag zu finden, ist das Ziel. Kurzfristig ist es leicht, keine Schokolade zu essen. Aber sich bewusst zu machen, warum ich die Schokolade esse und wie ich mein Verhalten ändern kann, das ist ein anderer Schritt.

Ist für Muskelaufbau Proteinpulver nötig?

Meistens nicht. Die Kunden müssten einfach darauf achten, in welchen Lebensmitteln viel Eiweiß enthalten ist. Aber viele wollen lieber Supplemente um viel Geld schlucken. 

Bemerken Sie einen ungesunden Körperwahn?

Ja, auch bei den Trainern. Viele von ihnen machen sich anfangs Druck, ein gewisses Bild zu vermitteln. Aber nur weil ich jetzt ein paar Kilo mehr auf den Hüften habe, ist mein Wissen ja nicht weniger wert.

Und wenn Sie bei Klienten merken, dass ihr Körperbild krankhaft wird?

Dann empfehle ich ihnen Ärzte oder Therapeuten und beende das Training. So etwas kommt immer wieder vor.

Wie viel verdienen Sie netto?

Als Selbstständige bleibt mir deutlich mehr als angestellten Trainern in einer Studiokette. Ich arbeite Vollzeit und verdiene im Schnitt 2.000 Euro netto im Monat. Die Hälfte der Zeit stehe ich im Studio. Der Rest ist Vorbereitungszeit, Buchhaltung und Marketing.

Zum Abschluss: Haben Sie Tipps, um fit zu bleiben?

Bewegung in seinen Alltag integrieren. Das heißt, viel zu Fuß gehen, Stiegen steigen und jede Stunde, die man sitzt, ein paar Kniebeugen machen. •

Zahlen & Fakten:

In Österreich gibt es mehr als 1.200 Fitness-Studios, zwei Drittel davon liegen in Wien, Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich.

Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder in Fitness-Studios stieg 2018 auf 1.073.000. Das sind etwa 12,3 Prozent der Bevölkerung.
 In Österreich trainieren – trotz wachsender Zahlen – weniger Menschen als im europäischen Durchschnitt.

Quelle: WKO

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