Wie es ist … als Ghostwriter zu arbeiten

Anatol Vitouch (38) ist freier Schriftsteller, Schachreporter sowie DATUM-Textchef. Als Ghostwriter hat er mehrere Promi-Autobiografien für österreichische Verlage verfasst.

DATUM Ausgabe Februar 2023

Das Wichtigste für einen Ghostwriter ist, eine gute Gesprächsbasis und ein ­Vertrauensverhältnis zu dem Menschen aufzubauen, dessen Stimme man wird. Für eine Autobiografie führe ich zuerst ein bis zwei Vorgespräche, um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Dann schreibe ich in Abstimmung mit dem Autor ein Buch-Exposé, das ich dem Verlag, der mich angefragt hat, vorlege: eine kurze Schilderung, in welche Richtung es gehen soll, wie der Stil klingen könnte, was zentrale Kapitel sind.

Danach beginnt die eigent­liche Recherche-Phase: eine Serie langer lebensgeschicht­licher Interviews mit dem Autor, bei denen es nicht nur um Fakten und Geschichten geht, sondern auch darum, sich in das Gegenüber einzufühlen. Je lockerer dabei die Atmosphäre, umso besser, denn umso mehr öffnen sich die Menschen. Mit einer Schauspielerin, deren Autobiografie ich verfasste, habe ich zum Beispiel bei fast jedem Treffen gemeinsam eine Flasche Rotwein geleert, die Stimmung war freundschaftlich. Ich glaube, das hat sich im Buch niedergeschlagen, jedenfalls ist es ein Bestseller geworden.

Was interessant ist: Mit dem ersten Probekapitel, das man seinem Autor zu lesen gibt, ist der fast immer unzufrieden: ›Das bin doch nicht ich!‹, sagen die Leute oft empört. Meistens genügt es dann, ein paar stilistische Kleinigkeiten zu ändern, die Sprache entweder ein bisschen mündlicher oder im Gegenteil mehr schriftdeutsch klingen zu lassen, und plötzlich ist der Autor total begeistert. Ich glaube, die meisten müssen einfach erst den Schreck verdauen, dass da ein anderer aus ihrer Perspektive schreibt; und sie damit quasi zur Figur in einer Geschichte werden, auch wenn es ihre ­eigene ist.  

Im Buch genannt wird man als Ghostwriter üblicherweise nicht, die Anerkennung sollte im Honorar zum Ausdruck kommen. Es gibt zwar Fälle, wo vorne ›in Zusammenarbeit mit‹ oder Ähnliches steht, aber meistens wollen das die Verlage nicht: Der Autor soll bei Presseterminen so über das Buch sprechen, als ob er es selbst geschrieben hätte, weil das den Eindruck von Authentizität erzeugt. Eine echte ›Verschwiegenheitsklausel‹ musste ich aber noch nie unterschreiben. Die Verlage verlassen sich darauf, dass man mit seiner Arbeit nicht hausieren geht, man würde sich damit ja nur das Geschäft kaputtmachen.

Dass Prinz Harrys Auto­biografie ›Spare‹ von einem Ghostwriter stammt, merkt man schon auf Seite eins. Den Stil kauft man dem Autor überhaupt nicht ab, das ist alles viel zu detailverliebt und pseudo-literarisch. Deshalb finde ich eigentlich nicht, dass der Ghostwriter J. R. Moehringer gute Arbeit geleistet hat, auch wenn er wohl der erfolgreichste seines Faches ist. Man muss aber auch bedenken, dass der Verlag offenbar gar nicht verbergen wollte, von wem Prinz Harrys Buch wirklich stammt. Insofern liegt da ein Spezialfall vor: Der Ghostwriter ist selber eine Art Promi, über dessen Leben es sogar einen Film mit George Clooney gibt. Deshalb geht sich das wohl irgendwie aus oder fördert sogar den Verkauf.

Schlecht geschrieben finde ich es trotzdem: billige Psychologismen, sehr viel Pathos. Aber andererseits will das ­Publikum, das sich brennend für das Leben der Royals interessiert, wahrscheinlich genau das. Und Ghostwriting ist eben keine Kunstform, ­sondern schreiberisches Handwerk zum Zwecke des Geldverdienens. •

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