›Optisch ist Kurz ein Anti-Hipster‹

Über Augenklappen, Politik-Pin-ups und Uber-Fahrten.

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Interviewter:
Rainer Nowak, Chefredakteur ›Die Presse‹
DATUM Ausgabe April 2017

Herr Nowak, vor kurzem waren Sie mit Augenklappe zu sehen, auf dem Foto einer Podiumsdiskussion. Wie das?
Ich hatte eine Augen-OP, nichts Schlimmes, habe aber die optischen Auswirkungen unterschätzt und hätte danach vielleicht nicht moderieren sollen. Aber ich konn­te keinen Ersatz finden. So saß ich mit Herrn Hensel von Rewe am Podium. Er empfahl mir, immer Augenklappe tragen, das sei für die Markenbildung super.

Beeinträchtigt Sie die Augenklappe? In Politik und Medien müssen Männer doch heute sehr auf ihr Äußeres – manikürte Hände beim Kanzler, sitzende Frisur beim Außenminister – achten.
Stimmt. Allerdings: Kleidung darf nicht ablenken. Ich würde nie rosa oder rote Socken in einer TV-Diskussion tragen. Es ist schwierig genug, mit seiner verbalen Botschaft durchzukommen. Man muss auch ein bisschen un­auf­fällig sein als Mann. Halbwegs ausschauen, aber sich nicht übers Äußere definieren. Wie beim Laufen: Man geht laufen, weil’s gut ist, aber bitte nicht darüber reden. Christian Kern muss ich dabei in Schutz nehmen. Viele – Fillon, Schröder, Androsch – hatten Probleme mit Anzügen. Da finde ich es mutig, wenn einer Slim-Fit-Sozialdemokratenanzüge trägt.

Etabliert sich mit Trudeau und Macron nicht gerade ein Pin-up-Politikertyp?
Und wie passt Martin Schulz da hinein? Oder: In Wien kommt ein neuer Bürgermeisterkandidat ins Bild – optisch auch eher Schulz, aber ein hervorragender Kommunalpolitiker, Michael Ludwig. Nach Ihrer These müsste Mailath-Pokorny Bürger­mei­s­ter werden. Ich glaube aber, es wird Ludwig. Sollten wir nicht auch über die ÖVP reden, sonst glauben die ­Leser …

Können wir. Kurz ist auch der frische Typ.
Optisch ist Kurz mit der Frisur und so spitzen Herrenschuhen individuell-spleenig, ein Anti-Hipster. Auch mutig. Ihn macht eher eine Mischung aus Charisma, Empathie, fast Karma aus. Er kann mit jedem reden, ist so was von überhaupt nicht arrogant. Ein Popstar der Politik.

Klingt fast nach Erwin Pröll.
Bloß hatte Pröll dieses Autoritär-Großväterliche, während Kurz den Schwiegersohn suggeriert, der die Familie rettet – nicht nur die Tochter, die ganze Familie.

Versäumen Sie eigentlich in der ›Presse‹ nicht gerade die Redaktionskonferenz?
Nein, das geht sich aus. Zehn Minuten haben wir noch. Dann springe ich ins Uber.

Ah, Sie nutzen den Online-Taxidienst. Warum?
Ein kleines Kostensenkungsprogramm. Ich fahre selbst nicht, habe keinen Dienstwagen, zudem gerade eine Achillesfersenentzündung vom Laufen — hops, jetzt rede ich doch übers Laufen. Deshalb fahre ich jetzt Uber und sicher nicht Taxi. Es sind fast nur posi­tive Erfahrungen.

Was sind die negativen?
Man landet zum Beispiel beinahe auf der Gegenfahrbahn der Südosttangente, aber da kann man ja einschreiten.

Als Geisterfahrer? Wie kam es dazu?
Ja, wenn das Navi Tschechisch spricht und der Fahrer eher nicht. Ein Abenteuer.

Läuft die Redaktionskonferenz auch ohne Sie?
Alles geht ohne mich. Jeder ist ersetzbar.

Wenn man einen Ersatz findet. Wie ­charakterisieren Sie Ihren Führungsstil?
Ich bin nicht sehr autoritär, aber wenn ich merke, es funktioniert etwas nicht, sage ich deutlich, was ich möchte.

Für einige ›Presse‹-Artikel muss man online seit kurzem bezahlen – war das eine rein geschäftliche Entscheidung?
Nicht nur. Damit werden wir nicht reich. Aber wir können unsere Eigenleistungen – Recherchen, Analysen, Interviews – digital nicht länger verschenken. Jetzt, Anfang April, haben wir rund 2.000 zahlende Online-Abonnenten – alleweil!

Gibt es einen Weg zurück?
Nein. Eine komplette Paywall werden wir aber nie errichten.

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