› Greta hat uns allen gutgetan ‹

Wie kommen wir aus der Klimakrise ? Ein Streitgespräch zwischen Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, und OMV-Chef Rainer Seele über Extremwetterereignisse, Planwirtschaft und die Frage, ob Plastik Teil der Lösung sein kann.

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Protokoll:
Sebastian Loudon
DATUM Ausgabe November 2020

Corinna Milborn : Sie beide sind geborene Kontrahenten – zumindest politisch – und noch nie direkt auf­einandergetroffen. Beginnen wir damit, den gemeinsamen Boden festzulegen. Sie beide erkennen die Klimakrise an, sie ziehen nur unterschiedliche Schlüsse daraus. Herr Seele : Wie schlimm ist es, und wie schnell muss man handeln ?

Rainer Seele: Man sollte das immer an rationalen Zahlen festmachen und die Klimakrise nicht zu sehr emotionalisieren und Ängste nähren. Ich bin der Meinung, dass die Klimakrise für uns sichtbar geworden ist, dass sie sich sehr beschleunigt hat. Dementsprechend hat sich auch das Umfeld für Unternehmen verändert, nämlich insofern, als sie auf diese Klimakrise reagieren müssen. Bis jetzt wird das ja an einem einzigen Molekül festgemacht – wir verteufeln zurzeit das CO2. Und wir dürfen die Klimakrise nicht alleine betrachten. Sie ist eine globale Aufgabe, die sehr viel Kraft von der Wirtschaft, aber auch von der Politik verlangt, insbesondere, um den angestrebten Wechsel zu finanzieren. 

Frau Rogenhofer, freuen Sie sich, dass Herr Seele das Thema ernst nimmt ?

Katharina Rogenhofer: Ich finde es gut, dass wir gemeinsam die wissenschaftlichen Zahlen anerkennen. Das ist wichtig. Ich stehe nicht auf Ihrer Seite, wenn Sie sagen, wir sollten das Thema nicht emotionalisieren, denn ich glaube, die Klimakrise ist zu lange runter­gespielt worden. Seit 1990 wissen wir, dass wir zur Bekämpfung der Klimakrise Emissionen reduzieren müssen. Seitdem ist nichts passiert. Der Planet erhitzt sich, und das bedeutet auch, dass Menschen in Armut fallen oder ihre Heimat aufgrund von Dürren oder Extremwetterereignissen verlassen müssen. Es geht nicht um Angstmache, sondern darum, die Dringlichkeit klarzumachen und aufzuzeigen, wo es hingehen kann – und da gibt es ganz viele Visionen.

Seele: Ich kann ja verstehen, dass man gewisse Dinge emotionalisiert, damit man mehr Druck auf den Veränderungsprozess erzeugt. Das ist auch in Ordnung. Was ich aber einfordere, ist, dass wir ein klares Konzept haben, und nicht immer sagen : Oh Gott, es ist alles fürchterlich, unser Planet verbrennt. Wir müssen Konzepte ausarbeiten, wie wir dem entgegenwirken wollen und den Menschen aufzeigen, dass es ein ­riesiges Potenzial an Innovation gibt. Diese Veränderung können nur die Wirt­schaft und die Forschung vorantreiben und man kann nicht über eine Verbotskultur möglichst viel Veränderung erzwingen.

Erzwingen ist ein gutes Stichwort für die Demonstrationen von Ex­­tinction Rebellion, die gerade auch in Wien stattfinden. Frau Rogen­hofer, was sagen Sie zu diesem Vorwurf, dass da etwas erzwungen wird, wo doch ohnehin technolo­gische Lösungen da wären? 

Rogenhofer: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Technologie alles lösen wird. Die Technologie ist bestimmt eine wesentliche Antwort, aber wir haben schon jetzt ganz viele Lösungen und Maßnahmen. Es stimmt ja nicht, dass es keine Konzepte gibt – die werden ja auch von Fridays for Future oder dem ­Klimavolksbegehren angeregt. Wir brauchen eine CO2-Budgetierung, so wie eine Finanzbudgetierung. Wir müssen raus aus Öl, Kohle und Gas, was bedeutet, dass wir auf andere Heizsysteme umsteigen müssen.

Dazu kommen wir noch. Zuvor würde mich interessieren : Herr Seele, was halten Sie eigentlich von Greta Thunberg – persönlich ?

Seele: Ich muss sagen, sie hat Großartiges geleistet. Ich glaube, dass sie mit ihrer Bewegung mehr erreicht hat, als das Greenpeace über vie­le Jahre mit zweifelhaften Aktionen ­versucht hat zu erreichen. Insbesondere hat sie das Thema Umwelt zu einem Thema Zukunft gemacht – und das ist die große Leistung von Greta Thunberg. Ich glaube, sie hat uns allen gutgetan. Aber, nur weil man demonstriert, gibt einem das nicht das Recht, die Gesetze nicht einzuhalten …

Rogenhofer: Aber es hält jeder die Gesetze ein. Es ist ja unser demokratisches Recht, auf die Straße zu gehen. 

Seele: Sie hätten meinen Satz zu Ende hören sollen. Ich kritisiere ja nicht das Demonstrationsrecht. Aber wenn beispielsweise unsere Sicherheitsanlagen beschädigt werden, dann sind das unsere Rechte, die nicht eingehalten werden. Das ist auch der Unterschied, den ich zwischen Fridays for Future und Greenpeace sehe. Ich finde in Ordnung, dass man eine friedliche Demonstration abhält, aber bitteschön : Ihr habt auf unseren Sicherheitsanlagen nichts zu suchen – das ist mein ganz klarer Appell.

Rogenhofer: Das klingt so, als wäre ich auf Ihren Sicherheitsanlagen ge­wesen.

Seele: Nein, nein !

Rogenhofer: Ich finde das immer ein bisschen schwierig, solche Vorwürfe in den Raum zu stellen. Das ist doch ganz selten, dass so etwas passiert. Wenn Sie von schlimmen Dingen erzählen, die auf Ihren Anlagen passieren, dann kann ich von den Katastrophen sprechen, auf die wir zusteuern, wenn wir keine Maßnahmen gegen die Kli­makrise ergreifen. Da müssen wir alle Teil der Lösung werden. Jede und jeder. Menschen gehen auf die Straße, ich habe ein Klimavolksbegehren initiiert, und Sie als Konzernchef haben auch eine Verantwortung.

Dann kommen wir jetzt zu den Lö­­sun­gen. Eine der zentralen Forderungen lautet : › Keep it in the ground ‹. Man soll also ab jetzt kein bisschen Gas, keinen Tropfen Öl aus dem Bo­­den herausholen. Herr Seele, wie re­alistisch ist diese Forderung ?

Seele: Da ist die Frage, welche Zeitachse man im Kopf hat. Die Forderung, sofort auf den Knopf zu drücken und die Raffinerien zuzusperren – die ist natürlich unrealistisch. Wir haben hier in Österreich ja so­gar vom Gesetz her die Verpflichtung, dass jemand, der zur Tankstelle kommt, so viel Benzin oder Diesel bekommt, wie er benötigt. Wenn Sie sich anschauen, was die großen Öl- und Gaskonzerne ankündigen, sehen Sie, dass da keiner ist, der sagt : Ich werde noch mehr Milliarden in die Ölproduktion stecken. Da ist die Erkenntnis schon angekommen, dass wir sukzessive eine Veränderung erleben werden, dass wir eine Umschichtung hin zu Erdgas haben werden, und dass längerfristig die erneuerbaren Energien einen wesentlich höheren Anteil haben werden. 

Wie lange werden Sie also noch Öl und Gas aus dem Boden holen ?

Seele: Viel länger, als wir alle glauben. Wir werden diesen Rohstoff auch weiter benötigen. Wir denken ja oft, dass das ganze Öl im Auspuff landet. Dabei haben wir als OMV ja eine ganz klare Strategie, nämlich Öl zukünftig weniger zu verbrennen und mehr zu veredeln. Wir können aus dem Erdöl hervorragende hochwertige Produkte im Chemiebereich herstellen. Es gibt Anwendungsbereiche, die nicht im Kraftstoffbereich liegen, die auch in Zukunft Erdöl benötigen werden.

Rogenhofer: Es fordert niemand, den ich kenne, morgen auf die Stopp-Taste zu drücken. Aber wir müssen uns klar darüber sein, dass Öl, Kohle und Gas emissionsintensive Energiequellen sind. Und wir müssen langfristig aus jeglicher Form von fossilen Brennstoffen aussteigen.

Was ist langfristig für Sie ?

Rogenhofer: Auf EU-Ebene haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. In Österreich sogar 2040 – das war eine der Forderungen aus dem Klimavolksbegehren. Das bedeutet aber auch, dass die Emissionen auf null müssen. Wenn ich vom Shift von Öl auf Gas als Übergangslösung höre, dann kommt mir das so vor, wie wenn ich Zigaretten mit Filter rauche, weil das so gesundheitsschonend sei. Das ist ja keine Lösung. Wir müssen da raus, und das müssen wir bis 2040 oder 2050 weltweit schaffen. 

Ist das realistisch, Herr Seele ?

Seele: Was ich hier höre, sind irgendwelche planwirtschaftlichen Vorgaben – das kenne ich aus der Zeit der DDR ziemlich gut.

Rogenhofer: Das finde ich jetzt ziemlich unfair, dass Sie das vergleichen. Sie haben vorhin selber einen Plan gefordert. Und eine langfristige Planung tut ja auch der Wirtschaft gut. Niemand fordert Planwirtschaft – und niemand fordert eine Diktatur. 

Seele: Ich bin ja vollkommen bei Ihnen, dass wir einen Plan brauchen. Aber wir brauchen ihn nicht als eine politische Vorgabe, sondern man muss die Wirtschaft mit einbeziehen. Und der wesentliche Grund, warum wir in der Vergangenheit so wenig erfolgreich waren, ist, weil von der Politik Ziele gesetzt worden sind, ohne die Wirtschaft mitzunehmen. Und das ist mein Hauptappell : Wir dürfen den Verbraucher, den Kunden, die Gesellschaft hier nicht ausklammern. Wir denken immer, wir können Märkte oder Verhalten, die existieren, einfach ausschalten und morgen sagen, jetzt ist alles anders. Wichtig ist, dass wir darstellen, dass wir diese Veränderung nicht als Rückschritt, sondern als Fortschritt wahrnehmen. Gewisse Lebensstandards müssen erhalten bleiben. Wir wollen nicht – weil der Strom ausfällt – die Kerzen auf den Tisch stellen, weil das so romantisch aussieht. 

Rogenhofer: Aber auch das fordert niemand. Ich glaube auch, dass die Klimawende wahnsinnig schön sein kann – das hat nichts mit Rückschritt zu tun. Und ich glaube auch, dass man die Wirtschaft mitnehmen muss, deswegen sitzen Sie heute da. Ich hoffe ja, Sie auf die Reise mitzunehmen.

Seele: Sie nehmen mich ja mit auf eine Reise, wir müssen nur auf einen ­gemeinsamen Nenner kommen. Und das heißt, dass wir nicht eine radikale Revolution durchführen, sondern, dass wir versuchen diesen Übergang wirklich evolutiv zu managen. Wir werden uns darauf verständigen können, dass wir gemeinsam für eine sauberere Luft, für weniger Emissionen sind – dafür ist die Bereitschaft bei der Wirtschaft enorm hoch. Ich habe sie noch nie so hoch erlebt wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Aber wir können nicht die Wirtschaft für alles verantwortlich machen und ihr die Hauptaufgabe zuschreiben.

Rogenhofer: Das heißt, Sie wollen Öl und Gas reduzieren ?

Seele: Jede Prognose sagt das voraus.

Rogenhofer: In Ihrem Nachhaltigkeitsbericht bis 2025 steht als Vision drinnen, mehr auf Erdgas zu setzen. Wenn man sich aber die Zahlen durchrechnet, wollen Sie gleich viel Öl aus dem Boden holen, aber auch mehr Erdgas. Mehr Erdgas – gleich viel Öl – das ist Ihre Vision für 2025 ?

Seele: Ich bin nun einmal auch ein Wirtschaftsvertreter. Ich werde ja nicht die Investitionen, die wir getätigt haben, alle abschreiben, weil wir eine große Klimadebatte haben. 

Rogenhofer: Aber Sie können die neuen Investitionen anders machen.

Seele: Da findet bereits ein Wandel statt bei der OMV.

Rogenhofer: Sie meinen, dass Sie Gasleitungen bauen, statt Öl aus dem Boden zu holen ?

Seele: Wir sehen einfach unterschiedliche zeitliche Achsen. Wir werden einen relativ zügigen Ausstieg aus der Kohle erleben und auch die Ölmengen werden weiter zurückgehen. Wir werden aber Erdgas als komplementäre Energieform benötigen, um letztendlich den Ausbau der erneuerbaren Energien mit Versorgungssicherheit zu versehen – wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Die größte Flexibilität bei Kraftwerken, um sie schnell hoch- oder runterzufahren, haben Sie eben mit Erdgaskraftwerken. 

Rogenhofer: Jede gute Studie, die ich kenne, deutet darauf hin, dass die Gasinfrastruktur, die wir in Europa haben, schon vollkommen ausreichend ist. Natürlich sind erneuerbare Energien wie Wind oder Sonne volatil. Aber man kann den Überschussstrom an windigen oder sonnigen Tagen ja auch speichern. Was wir nicht brauchen können, ist ein Übergang zu mehr Erdgas. Erdgas, das stimmt, verursacht bei der Verbrennung selbst halb so viel CO2. Aber viele Studien deuten darauf hin, dass bei der Lagerung und beim Transport von Erdgas sehr viel Gas entweicht, und 85 Prozent davon ist Methan – und das wiederum ist 25 Mal klimawirksamer als CO2. Manche Studien kommen sogar zu dem Schluss, dass Gas im gesamten Produktzyklus gesehen teilweise schlimmer ist als Öl. Das ist also keine Lösung.

Seele: Erstens, die Speicherung von Strom ist noch lange nicht gelöst – das ist das große Problem, das wir bei den erneuerbaren Energien haben. Und ich stimme Ihnen auch nicht zu, wenn Sie hier den Eindruck erwecken, dass wir zur Gasspeicherung irgendwelche alten Tanks verwenden, die durchgerostet sind, wodurch so viel Erdgas entweicht. Das sind minimale Mengen. Das wird häufig damit verwechselt, dass bei der Förderung von Öl Gas abgefackelt wird – da haben wir eine ganz klare Policy, dass das eingestellt wird bis spätestens 2030. In einem Punkt stimme ich Ih-
nen zu : Wenn wir die Klimaschädlichkeit von Gas anschauen, dann ist Methan ein wesentlich schlimmeres Gas als CO2, und dementsprechend müssen wir alles tun, um keine Methanemission zu haben.

Rogenhofer: Sogar in Ihren Berichten kommt Methan-Ausströmung vor. Das, was in Ihren Zahlen steht, ergibt in CO2-Äquivalente umgerechnet die Summe der Auto-Emissionen von ganz Wien.

Wir sind ja bei Öl und Gas abhängig von Importen. Nun haben wir eine Si­­tu­ation, in der die Grenzen eher hochgezogen werden und einzelne Machtblöcke eher auf sich selbst schauen. Wo sehen Sie in der geopolitischen ­Perspektive Gefahren, Herr Seele ?

Seele: Die Öl- und Gasquellen werden immer mehr verstaatlicht – bei Öl sind es fast 90 Prozent der Ölfelder in den Händen von Staatskonzernen, daher brauchen wir auch entsprechende politische Beziehungen in einer gewissen Stabilität. Aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass wir beim Erdgas, das aus Russland hierher fließt – und das ist ungefähr die Hälfte des Verbrauches hier – seit mehr als 50 Jahren einen sicheren Transport haben. Jedes Molekül Gas, das wir bestellt haben, bekamen wir vertragstreu geliefert. Ich sehe keine Anzeichen, dass sich das ändern wird. Es ist ja auch keine einseitige Abhängigkeit. Wenn man sich die erdöl- oder erdgasproduzierenden Länder anschaut, dann werden Sie feststellen, dass sie von unseren Euros wesentlich stärker abhängig sind als wir von ihren Rohstoffen. 

Frau Rogenhofer, einer Ihrer zen­tralen Kritikpunkte ist, dass wir uns durch fossile Energie abhängig machen. Aber es scheint alles super, wenn man Herrn Seele zuhört.

Rogenhofer: Wir sind ja hier, um auch über Standortpolitik zu diskutieren. Wir geben neun Milliarden Euro aus, um Öl und Gas nach Österreich zu importieren. Neun Milliarden, die wir genauso in erneuerbare Energien investieren könnten. Laut einer neuen Studie liegen hunderttausende österreichische Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien. Grüne Investitionen zahlen sich langfristig aus. Ich will mich nicht als Steuerzahlerin davon abhängig machen, dass wir Gas aus Russland oder Öl aus Libyen geliefert bekommen.

Seele: Dass wir um neun Milliarden importieren, ist ja nur eine Seite der Bilanz. Wir exportieren ja auch sehr viele Produkte. Sorry, die neun Milliarden zahlt kein Steuerzahler, sondern die zahlt die OMV, und wir machen Produkte dafür. Die gehypte Vorstellung nach dem Motto : Schrauben wir überall Solarpanels auf die Dächer und genießen unser Leben, ist wirtschaftlich nicht tragfähig. Wir dürfen nicht in nur eine Richtung marschieren, sondern müssen Arbeitsplätze mit einer bestimmten Diversität erhalten. Und da ist es von enormer Bedeutung, dass der Standort Österreich und ganz Europa wettbewerbsfähig bleibt. Und ein ganz wesentlicher Kostenblock für die energieintensive Industrie ist, dass wir die Produktion von Strom hier zu wettbewerbsfähigen Konditionen erhalten. Ich bin kein großer Freund davon, dass wir sagen, wir müssen nur alles umschichten und werden die Wirtschaft jetzt nur durch Windräder und Solarpanels gestalten. Mein Ansatz ist : Wir müssen über eine Diversi­fizierung in höhere Wertschöpfungs­ketten gehen. Also, wir nehmen jetzt nicht mehr Rohöl und füllen damit nur die Tankstellen, sondern wir bauen damit eine chemische Industrie in Österreich auf. 

Das unterscheidet die OMV von anderen großen Ölkonzernen, die in erneuerbare Energien gehen, wie etwa BP oder Shell. Sie sagen, Sie bleiben beim Öl, gehen aber in die Veredelung. Das heißt, Sie produzieren Plastik, um es kurz zu sagen.

Seele: Das steht jetzt wegen des Borealis-Kaufs im Vordergrund. Aber wir haben uns im Vorstand sehr intensiv die Frage gestellt, was eigentlich in der DNA der OMV liegt und haben festgestellt : Wir sind schon jetzt einer der großen Chemieproduzenten in Europa, und wir werden nicht nur mit Borealis eine Vorwärtsintegration in Richtung Kunststoffe machen, sondern uns auch in andere Wertschöpfungsketten hineinbegeben – nehmen Sie unsere ISO-C4-­Anlage, die wir in Kürze im deutschen Burghausen hochfahren werden. Dort machen wir Vorprodukte für Klebstoffe oder Vitamin C. Das heißt, wir werden wesentlich stärker hochwertige Produk­te für den Automobilbereich, die Gesundheit oder Ernährung herstellen. 

Rogenhofer: Ich würde gerne noch einmal einen Schritt zurückmachen. Die OMV ist mit allem Drum und Dran für 137 Millionen Tonnen CO2-Emissionsäqivalente verant­wort­lich. Das ist mehr als Österreich insgesamt hat. Hier sitzt ein Konzernchef, Sie, Herr Seele, der mitverantwortlich ist für mehr Emissionen als ganz Österreich. Es sind noch immer 87 Prozent Ihrer Produkte solche, die gleich verbrannt werden, wodurch das CO2 in die Atmosphäre kommt und die Klimakrise anheizt. Und wenn wir bei der Veredelung und beim Borealis-Kauf sind : Da müssen wir uns schon fragen, ob das eine Lösung ist, oder ob uns das nicht nur weiter an den Rohstoff Öl fesselt. Wir machen dann sehr energieintensiv Plastik – und das allein ist ja ein enormes Umweltproblem, immerhin landet pro Minute eine Tankerladung Plastik im Meer.

Insgesamt will Frau Rogenhofer ­einfach, dass Sie schrumpfen, Herr Seele.

Seele: Das merk ich schon.

Rogenhofer: Nein, das stimmt nicht. Ich glaube, es gäbe Zukunftsvisionen – zum Beispiel Geothermie. Das ist eine nach­haltige Energiequelle, die wir auch in Österreich nutzen können, die aber wahnsinnig viel Vorinvestitionen braucht. 

Seele: Also auch Sie sind bei den Emissionen unfair gewesen. Sie rechnen uns die Emissionen der Autofahrer zu, die mit unseren Produkten fahren. Dazu habe ich Ihnen ja schon gesagt, dass sich die OMV darauf vorbereitet, künftig weniger Kraftstoffe herzustellen. In dem Bereich werden wir schrumpfen. Wo ich überhaupt nicht mit Ihnen übereinstimme, ist, dass Sie die hohen Leistungen aus chemischen Pro­duk­ten für unser tägliches Leben nicht anerkennen. Welche Rohstoffbasis wir nehmen, das ist für mich erstmal irrelevant. Die OMV engagiert sich auch für das The­ma Recycling, dass wir nämlich die Fürsorge übernehmen für Produkte, wenn sie das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben.

Rogenhofer: Setzen Sie sich dann bei der Wirtschaftskammer für das Pfand auf Einwegplastik ein ?

Seele: Das finde ich toll – da bin ich dafür ! Ich bin auch dafür, dass wir brutal hohe Strafen aussprechen, wenn jemand meint, seinen Abfall ins Meer kippen zu müssen. Sie wissen auch nicht, dass die OMV beim Thema Geothermie sehr engagiert ist. 

Rogenhofer: Da ist tatsächlich riesiges Potenzial ! •