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Was ist Ihre Leistung, Frau Nowotny?

Die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny über Männer, Stress und Messies.

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Fotografie:
Meinrad Hofer
DATUM Ausgabe April 2017

Mein Blick verfängt sich in einem Muster aus dünnen schwarzen Linien, Kreisen und Knäueln. Es sind Denkfiguren, die der Künstler ­Nikolaus Gansterer quer über die Wände im Institut des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds gekritzelt hat. Während ich noch rätsle, welche Zusammenhänge hier dargestellt sind, treffe ich auf Helga Nowotny. Frisch, im kurzärmligen Top, begrüßt mich die Grande Dame der europäischen Wissenschaft. Ihren achtzigsten Geburtstag begeht Nowotny dieses Jahr, ihr Terminkalender ist immer noch randvoll. Die international gefragte Wissenschaftsforscherin strahlt Herzlichkeit aus, wir kommen sofort ins Gespräch.

Frau Nowotny, sind wir neugierig genug?
Wir sind sicher nicht neugierig genug. Gerade jetzt, wo wir mit Fake-News und von vielen Ängsten umgeben sind.

Wir hinterfragen also zu wenig?
Neugier heißt, sich auf Neues einzulassen, den gegebenen Wissensstand immer wieder infrage zu stellen. Wir müssen uns öfter fragen: Stimmt das auch? Welche anderen Perspektiven gibt es?

Als Kinder sind wir alle wissensdurstig. Vielen von uns wird das ausgetrieben. Wie sind Sie dem entkommen? Sich die Neugierde zu bewahren ist eine Leistung.
Das liegt sicher auch an meinem Temperament. Ich füge mich nicht gerne in hierarchische Strukturen. Ich war eine sehr gute Schülerin, dadurch konnte ich es mir erlauben, die Lehrerinnen immer wieder zu provozieren. Und ich wusste, aufgrund meiner guten schulischen Leistungen können sie mich nicht allzu sehr unterdrücken.

Schon als Kind wussten Sie, dass Sie Wissenschaftlerin werden wollen. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Ich hatte mit acht Jahren ein Aha-Erlebnis. Damals wurde ich nach Vorarlberg verschickt, denn nach dem Zweiten Weltkrieg gab es kaum Lebensmittel für Kinder in Wien. In Götzis hat mich die Familie des Rauchfangkehrermeisters aufgenommen. Die hatten schon sechs Kinder, ich kam als siebentes dazu. Mein Volksschullehrer dort hat erkannt, dass ich aufgrund des Stadt-Land-Gefälles vom Bildungsniveau her dem lokalen Niveau überlegen war. Er hat mich dazu eingesetzt, die Schiefertafeln meiner Mitschüler zu korrigieren. Zu meiner großen Freude.

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