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Verdammter Teletext

Doom ist ein Klassiker. Der Teletext auch. Ein Grazer Informatiker hat es geschafft, beides miteinander zu verbinden und bereitet Liebhabern damit eine große Freude.

DATUM Ausgabe November 2023

Der Gedanke an den Teletext weckt in Lukas Neugebauer Kindheitserinnerungen: ›Ich kann mich erinnern, dass mein Papa zu Hause immer auf dem Teletext Sportergebnisse nachgeschaut hat.‹ Manchmal mache er das selber noch. Doch heute nutzt der 31-jährige Informatiker den Teletext anders: Wenn er nicht mit seinem Brotberuf – der Leitung eines Software-Entwicklungsteams für Medizinprodukte – beschäftigt ist, spielt Neugebauer im Teletext ein Computerspiel, und zwar nicht irgendeines. Er übt sich in Doom – zuerst 1993 erschienen, legte es den ›Grundstein für die weite Verbreitung und Akzeptanz des First-Person-Shooter-Genre und gilt als eines der einflussreichsten Videospiele aller Zeiten‹, so Alexander Pfeiffer vom Zentrum für Angewandte Spieleforschung der Donau-Uni Krems. Dass man das Spiel nun auch im Teletext spielen kann, dafür ist Lukas Neugebauer selbst verantwortlich. Damit folgt er einer in Gaming-Kreisen sorgfältig gepflegten Tradition: Man nimmt Doom, eine beliebige Hardware, und tüftelt so lange herum, bis man Ersteres auf Zweiterer spielen kann.

Möglich wird das Basteln mit Doom dank der Hersteller des Spiels, ›id Software‹. Pfeiffer erklärt: ›Der Quellcode von »Doom« wurde in den späten ­90-ern veröffentlicht, wodurch er für Bastler und Technikenthusiasten leicht zugänglich wurde.‹ Zu finden ist er auf GitHub, einer Plattform, auf der man Software-Codes verwalten und anderen zugänglich machen kann. Aus der Welt der Software-Eƒntwicklung ist die Website inzwischen nicht mehr wegzudenken. Dort greifen findige Techniker auf ebendiesen Code zu und adaptieren ihn für die jeweilige Hardware. Andere arbeiten den Originalcode so um, dass er für heutige Arten der Software-Entwicklung geeigneter ist. Man kooperiert.

So hat es Doom auf diverse Geräte geschafft. Die Liste ist lang und in einschlägigen Ecken des Internets gut dokumentiert. Hier sticht vor allem der Tumblr-Blog itrunsDoom hervor, auf dem der australische Betreiber, der nur seinen Vornamen Rick verraten will, seit 2013 sorgfältig neue Doom-Anwendungsfälle (sogenannte Ports) dokumentiert und damit über 12.000 Follower erreicht. Rick sieht seine Aufgabe darin, Ports  zu finden, sichtbar zu machen und zu unterstützen. Manchmal kommt es aber auch anders, wie er erzählt: ›Gelegentlich haben mir Leute Ports geschickt oder sogar Ports mit der Website im Hinterkopf erstellt!‹ Zu seinen Lieblingsports gehören Doom auf einer Digitalkamera von Kodak aus den 1990er-Jahren sowie Doom auf dem Display eines John-Deere-Traktors. Zu Neugebauers Teletext-Port meint er: ›Er ist lustig, interessant und zeigt beeindruckende technische Fähigkeiten, deshalb zieht er Aufmerksamkeit auf sich!‹

Doch wer nun hofft, den Teletext einschalten und darauf ohne weiteres Doom spielen zu können, wird enttäuscht sein. Ganz so einfach ist es nicht. Simpel erklärt läuft es so ab: Man benötigt zuallererst ein Gerät, auf dem das Betriebssystem Linux läuft. Wenn man das hat, kann man darauf ›Doom-teletext‹, so der Name von Neugebauers Projekt, laufen lassen. Das generiert dann ein Teletext-Signal, welches Doom darstellt. Dieses wird in weiterer Folge über einen Bildschirm angezeigt. Wer das Ganze auf dem Fernseher ausprobieren möchte, benötigt den bei Technikern beliebten Mini-PC Raspberry Pi. Der wird mit dem Fernseher und dem Computer verbunden und kann dann über ein weiteres Open-Source-Projekt namens ›raspi-teletext‹ das Bildsignal am Fernseher erscheinen lassen. Für Menschen mit Informatik-Vorwissen ist eine detaillierte Anleitung unter https://github.com/lukneu/Doom-teletext zu finden.

Dass der Teletext nicht gerade dafür erfunden wurde, Ego-Shooter zu spielen, fällt bei einem praktischen Test von Doom-teletext allerdings rasch auf. Die Beschränkung auf sehr wenige Farben sowie fehlende Möglichkeiten der Darstellung schränken das Abenteuer doch stark ein. Für ungeübte Spieler ist es nur schwer möglich, sich durch die Gänge des Spiels zu navigieren. Man findet vorgezeichnete Wege kaum, fällt plötzlich erscheinenden Feinden schnell zum Opfer. Das kann frustrieren, vom Spielspaß Dooms auf anderen Geräten bleibt für Gelegenheitsspieler nur wenig übrig. Kenner honorieren dennoch Lukas Neugebauers Bemühungen, das Spielerlebnis so authentisch wie möglich zu gestalten.

Um Spielspaß alleine geht es Neugebauer sowieso nicht: Auf der Suche nach dem atemberaubenden Gamingerlebnis ist man im Teletext einfach an der falschen Adresse. Das erwartet aber auch niemand. Die Zielgruppe Neugebauers ist eine erfahrene, sie schätzt die Kreativität der Idee und das technische Know-How zur Umsetzung. Es geht um Nostalgie und um Freude am Tüfteln. Die hat der Entwickler allemal gehabt, und das steckt den Zuhörer seiner Ausführungen über das Projekt durchaus an. Außerdem kennen echte Doom-Fans das Spiel in- und auswendig, da ist eine klare Darstellung der Spielwelt gar nicht notwendig.

Die Wahl des Teletexts als Plattform für Doom war für Lukas Neugebauer eine Herzensangelegenheit. Nicht nur aus nostalgischen Gründen. Der in den frühen 1970er-Jahren entwickelte Teletext ist auch aus technischer Sicht spannend. So ist man hier in puncto Auflösung und Farbauswahl generell stark eingeschränkt. Dennoch findet man im Teletext auch immer wieder grafisch Dargestelltes: ›Man kennt das beispielsweise von BBC, die hatten zu Weihnachten einen Christbaum im Teletext‹, sagt Neugebauer. In die Gegenwart bringt das eine Community, die sich mit Teletext-Kunst beschäftigt. Da findet man nach kurzer Google-Suche Späße wie einen Teletext-Mr. Burns aus der Serie ›Die Simpsons‹. Inspiriert davon wollte Neugebauer das Ganze eine Stufe anheben und ein Spiel in den Teletext einschleusen: ›Dann dachte ich mir: Wenn man schon ein Spiel im Teletext umsetzt, dann muss das Doom sein. Die Geschichte des Spiels und der zahlreichen kreativen Ports hat mich schon länger fasziniert, und da möchte ich mich gerne einreihen.‹ Oder wie Pfeiffer es formuliert: ›»Doom« auf ungewöhnlichen Geräten laufen zu lassen, zeigt tiefes technisches Verständnis und ist in Tech-Kreisen eine Art Ehrenzeichen.‹

Für Neugebauer war die Unternehmung eine Spielerei, die er für sich und eine kleine Community gemacht hat. ›Ich dachte, das interessiert sehr wenige Leute.‹ An ein Publikum, das über zweistellige Zahlen signifikant­ ­hinausgeht, hat er nicht gedacht. Gekommen ist es jedoch etwas anders. Zwar bleibt die Unternehmung des Informatikers der breiten Öffentlichkeit weitestgehend verborgen, dennoch erreicht er mehr Menschen als angenommen. Denn Neugebauer spricht mit dem Projekt verschiedene Zirkel an, allen voran wohl Doom-Liebhaber und die erwähnten Freunde der Teletext-Kunst. Dass ihm ein für viele interessanter Streich gelungen ist, spiegelt sich auch in Zahlen wider: So hat international inzwischen eine Vielzahl an Medien unter anderem auf Deutsch, Spanisch, Englisch und Japanisch über Doom auf Teletext berichtet. Ebenso ist Neugebauers ›Erfindung‹ Gegenstand diverser Podcasts und Youtube-Formate. Doom lebt also, der Teletext wohl auch. Gemeinsam sind sie umso interessanter. Der Code ist übrigens auf GitHub unter dem oben angeführten Link zu finden, Lukas hat ihn unter dem Benutzernamen lukneu hochgeladen – wie es sich in der Kultur eben gehört.

Dass das Interesse an Doom seit nun 30 Jahren ungebrochen ist, dürfte an mehreren Faktoren liegen: die frühe Veröffentlichung des Codes durch die Hersteller, regelmäßige neue Versionen, und eben nicht zuletzt die Leidenschaft jener, die das Spiel mit Kreativität und Können am Leben erhalten. Für interessierte Softwaretüftler: Lukas Neugebauer hat auf GitHub offene Ziele für die Weiterentwicklung des Codes angegeben – wer will, kann mitwirken. Er selber hat vorerst genug: ›Ich habe momentan andere Projekte. Es kann aber schon sein, dass ich mich wieder einmal dransetze.‹ •

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