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2019: Das Geschenk

Dank eines Implantats können gehörlos geborene Kinder hören. Nicht alle Eltern wollen das.

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Illustration:
Markus Waltenberger
DATUM Ausgabe Juli/August 2024

Als Baby bekommt Tobias eine Rassel geschenkt. Oder ein Hörspiel. Sein Vater Frank weiß nicht mehr genau, was es war. Er weiß aber noch ganz genau, was er damals dachte : Der kann das nicht hören, der wird nie hören können, der wird nie was davon haben. Denn sein Sohn Tobias ist taub zur Welt gekommen. Seit seiner Geburt hört er : nichts. 

Seine Eltern, Frank und Simone, sind nicht überrascht, als sie das erfahren. Denn Tobias’ Großeltern, die Eltern von Simone, sind auch gehörlos, sie selbst hört aber. Meine Muttersprache, sagt Simone, ist die österreichische Ge­bär­densprache, die Sprache der Gehörlosen. Irgendwann als junge Frau fragt sie sich dann : Wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass auch ich einmal gehörlose Kinder kriege ? Sie geht zum Arzt und will es wissen. Fifty-fifty, sagt der Gentest. Ihrem Mann Frank erzählt sie es gleich zu Beginn ihrer Beziehung. Er geht in sich, denkt darüber nach und beschließt, dass man entweder Kinder will oder nicht und dass er sie auch dann wollen würde, wenn sie nichts hörten. 2013 kommt dann sein erster Sohn Tobias in Innsbruck auf die Welt. 

Hinter der Geschichte

Ich war Teil des DATUM-Talente-Programms und habe mir dafür Geschichten überlegt. Über drei Ecken bin auf dieses Gerichtsurteil in Deutschland gestoßen, bei dem die Eltern eines gehörlosen Kindes von den Ärzten angezeigt wurden, weil sie ihm kein Cochlea-Implantat einsetzen lassen wollten. Das Verhalten der Eltern war für mich zu Beginn völlig unverständlich und hat mich schockiert. Genau das war zugleich meine größte Lehre am Ende der Recherche: Erst wenn man sich Argumente anhört, kann man Positionen verstehen, egal wie verrückt sie davor geklungen haben. Die Gehörlosen-Community wird teilweise nicht ernst genommen oder sogar unterdrückt. Das lässt einen verstehen, woher die Ablehnung des CI kommt. Diese Geschichte steht im Endeffekt für ein größeres Thema: Wie soll man als Mehrheit mit einer Minderheit umgehen? Für jeden Gehörlosen ist die Beantwortung der Frage, ob Implantat oder nicht, individuell zu beantworten. Dementsprechend waren die Protagonisten und andere Teile der Community sehr dankbar, dass jemand ihre Perspektive verstanden und in die Welt hinausgetragen hat. Teile der hörenden Gesellschaft waren überrascht. Sie wussten davor genauso wenig wie ich über dieses Thema Bescheid.

Für DATUM habe ich zwei Geschichten geschrieben. Derzeit bin ich dual im Einsatz: als freie Journalistin und als Deutschtrainerin.

Marija Barišić

Am dritten Tag nach der Geburt wird ein Hörscreening bei Tobias durchgeführt – eine Routineuntersuchung, die dazu dient, angeborene Hörstörungen bei Babys zu erkennen. Die Geräte sind kaputt, Ihr Sohn wird wahrscheinlich nichts haben, wir probieren es morgen noch einmal, versuchen die Krankenschwestern die Eltern zu beruhigen. Die wissen aber : Die Geräte sind nicht kaputt. 

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Wörter: 5312

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