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2021: ›Host wos? Brauchst wos?‹

Auch illegaler Rausch bedarf einer Infrastruktur. Nach welchen Regeln funktioniert der Schwarzmarkt für legale Medikamente und illegale Drogen? Und wie hat er sich durch die Pandemie verändert?

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Zeichnungen:
Stefanie Sargnagel
DATUM Ausgabe Juli/August 2024

Ich wohne direkt an einer Straßenbahnstation, die einen von ungefähr drei Spots einer kleinen Wiener Handelsroute markiert. Im Gegensatz zu anderen Märkten bummelt hier niemand entlang, um sich an der aktuellen Warenvielfalt zu erfreuen. Die meisten Passanten sehen über die Angebote hinweg und ärgern sich über das Verkaufsgeschehen. Die Gegend ist einkommensschwach und dicht besiedelt, in der meistens stark gefüllten Straßenbahn drängen zwischen Schülern, Mi­granten, Arbeitern und vielen Kinderwägen immer auch Käufer und Verkäufer durch die Menge. Das beginnt, sobald der Verkehr losgeht, und zieht sich bis in die späte Nacht. Feierabend oder Wochenende haben die Suchtkranken, die hier auf der Suche nach Substanzen sind, nicht, es ist ein 24-Stunden-Job oh­ne Ruhezeiten. Jeden Tag beobachte ich das Marktgeschehen. Schon um acht Uhr Früh sammeln sich dort bei meiner Station kleine Grüppchen, und man tauscht sich aus wie im Büro beim Morgenkaffee : › Servas, wie gehts da ? Host wos ? Brauchst wos ? Wos gibts ? Substi ? Rote ? Laungsaume ? Kugerl ? Braxln ? Sommerl ? In zwanzg Minuten kummt wer. Herst, waast wos mia passiert is ? ‹

Hinter der Geschichte

Der erste Corona-Winter war eine dunkle Zeit. Die Pausen zwischen den Lockdowns waren kurz, die Schnelltests noch sehr teuer, die Impfung dem medizinischen Personal und den besonders Verwundbaren vorbehalten. Angesichts von Ausgehsperren und Diskopleiten fragten wir uns wehmütig: War’s das jetzt mit dem Feiern? Oder wird der Rausch in der Isolation sogar intensiver?

In der Hoffnung auf Antworten baten wir die Autorin, Kabarettistin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel, einen Schwerpunkt zum Thema zu kuratieren. Sargnagel, die kurz zuvor einen Roman namens ›Dicht‹ veröffentlicht hatte, schlug nicht nur zahlreiche Weggefährten als Autorinnen, Illustratoren und Fotografinnen vor, sondern brachte auch eine Idee für eine Reportage mit, die sie selbst schreiben und bebildern wollte. Sargnagel wollte herausfinden, nach welchen Regeln der Schwarzmarkt für illegale Drogen funktioniert – und wie die Pandemie diese verändert.

›Das Einzige, was man als Normalbürger noch machen kann an gesellschaftlichem Leben, scheint wie eine konservative Dystopie‹, schrieb sie später in ihrem Geleitwort zum Schwerpunkt: ›Arbeiten, Skifahren, Arbeiten, Skifahren.‹ Zur Feier der Rausch-Ausgabe fuhren wir nach getaner Arbeit nicht Ski, sondern trafen uns im Freien. Es gab Glühwein von einem Standl und mitgebrachten Wein aus Flaschen. Für einen Rausch reichte es nicht, höchstens für einen Anflug von Kopfweh.

Elisalex Henckel

Manche der Leute, die hier ihre Geschäfte treiben, sind jung und sehen noch halbwegs vital aus, andere wirken so, als hätten sie sich mit letzter Kraft aus der Bewusstlosigkeit von der Matratze geschält. Die Gesichtszüge sind wie ausgewaschen, es gibt Leute in gebückter Haltung, welche, die auf dem Rollator lehnen, Leute mit Verletzungen im Gesicht, Verbänden oder amputierten Gliedmaßen. Eines eint aber alle abseits ihrer körperlichen Verfassung : Ihre Bewegungen sind von Rastlosigkeit und fahriger Hektik gekennzeichnet. So zieht sich durch diese Strecke eine Geschäftigkeit, die man von Brokern an der Börse kennt, wenn ein sinkender oder steigender Kurs für Aufruhr sorgt. Egal wie erschöpft die Leute wirken, sobald die Substanz in greifbarer Nähe scheint, bekommt der Körper Spannung, und selbst Gehbehinderte laufen mit beachtlicher Geschwindigkeit zum begehrten Waggon, wenns sein muss, auch quer über die Gleise. 

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